Ein Picknick. Aus der Thermoskanne wird Kaffee in die Plastikbecher gegossen, das Brot aus der Frischhaltefolie gewickelt und mit dem Plastikmesser mit Margarine bestrichen. Ohne Polyethylen gäbe es jedoch weder Plastikbecher, noch Thermoskannen, Frischhaltefolie, Plastikmesser oder Margarine-Packungen. Der aufmerksame Leser ahnt bereits, dass auch bei der Herstellung von Polyethylen der Zufall eine Rolle gespielt hat.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts gelang es erstmals, synthetische Kunststoffe aus einfachen organischen Rohstoffen zu erzeugen. Schnell entwickelte sich eine beachtliche Kunststoff-Industrie. 1920 entdeckte der Chemiker H. Staudinger, dass die Kunststoffe aus Makromolekülen aufgebaut sind. Mit diesem Wissen war es möglich, viel gezielter und schneller neue Materialien zu bilden. 1933 wurde erstmals Polyethylen unter sehr hohem Druck hergestellt, schon 1939 war die Nachfrage so sehr gestiegen, dass die Jahresproduktion längst nicht mehr ausreichte, um den Bedarf zu decken.
Fieberhaft suchten Chemiker nach einer Möglichkeit, die Synthese des Polyethylens zu vereinfachen und die Herstellung zu beschleunigen. Einer der Forscher, der sich mit diesem Problem befasste, war Karl Ziegler vom Mülheimer Max-Planck-Institut für Kohlenforschung. Ähnlich wie bei der Entdeckung des Teflons war auch hier ein unerwünschtes Ereignis der Auslöser. Ziegler stellte nämlich eines Tages fest, dass die Ethylen-Moleküle bei seinen Versuchen keine langen Ketten bildeten, sondern lediglich Aggregate aus nur zwei Molekülen.
Daraufhin machte er sich auf die Suche nach den Ursachen. Schließlich stellte sich heraus, dass einer der Mitarbeiter die Druckgefäße, in denen die Reaktion stattfinden sollte, stets mit Salpetersäure reinigte. Die Edelstahlgefäße wurden zwar sehr sauber, allerdings lösten sich durch die Säure auch kleine Mengen an Nickel. Der Nickel brachte dann die Polymerisations-Reaktion verfrüht zum Stillstand. Auch wenn Ziegler genau das Gegenteil hatte erreichen wollen, machte er sich doch daran, weitere Metalle auf ihre Wirkung hin zu prüfen.
Diese Entscheidung brachte ihm dann auch 1963 den Nobelpreis und dem Rest der Menschheit Plastikspielzeug und jede Menge Plastikverpackung ein. Bei seinen weiteren Versuchen fand Ziegler nämlich andere Metalle, die die Reaktion nicht unterbrachen, sondern vorantrieben. Titan oder Chrom etwa führten dazu, dass die Polyethylen-Ketten sogar ganz ohne Druck entstanden. Somit konnten nicht nur durch den Verzicht auf extreme Druckverhältnisse technische Probleme vermieden werden, der entstehende Kunststoff war sogar noch belastbarer als das unter nach altem Prinzip hergestellte Polyethylen.
Durch diese Entdeckung wurde die großtechnische Produktion von Kunststoffen möglich. Eine Entwicklung, die bis heute andauert und uns auf unserem täglichen Leben begleitet.
Stand: 30.05.2000