Doch trotz der bemerkenswerten Parallelen: Den Stein der Weisen will man in Göttingen nicht gefunden haben. So müssen äußere Ähnlichkeiten im Verhalten von Rob und dem eines Käfers auf Futtersuche nicht zwangsläufig bedeuten, dass in beiden dasselbe Programm abläuft. „Die Natur ist viel komplexer als eine Laboranordnung. Tatsächlich kann man nicht einmal Körper und Gehirn voneinander trennen“, erklärt Michael Herrmann.
Das gilt auch für seine Roboter: So kann auch ihr Lernverhalten von Umständen beeinträchtigt werden, die man zunächst kaum erwartet hätte. Wird zum Beispiel Robs linkes Steuerrädchen in seiner Bewegung gehindert, wird dies vom lernenden Netzwerk nach einer Weile kompensiert und der behinderte Roboter bewegt sich wieder fehlerlos durch das Labyrinth – ohne, dass dieses fehlertolerante Verhalten zuvor eigens programmiert oder auch nur beabsichtigt gewesen wäre.
Mehr noch: Je nachdem, mit welcher Situation neugeborene, auf Verstärkungslernen programmierte Roboter in ihren ersten Lebensminuten konfrontiert werden, entwickeln sie zunächst sogar so etwas wie eine eigene Persönlichkeit: Exemplare, die zunächst vor eine Wand gesetzt werden, reagieren auf spätere Kollisionen mit einem Hindernis anders als solche, deren erste Erfahrung in freier Fahrt bestand.
Sind diese frappierenden Ähnlichkeiten zufällig oder beruhen sie tatsächlich auf der Tatsache, dass wir eben neuronal funktionieren? Wird der Mensch jemals in der Lage sein, sein Gehirn zu verstehen? Für Michael Herrmann greift auch hier die Netzwerkidee: „Forschungsnetzwerke aus Wissenschaftlern, die ganz analog zu den Neuronen im Gehirn zusammenwirken, werden immer mehr Aspekte des Gehirns begreifen.“ Den Tag, an dem wir es in Gänze durchschaut haben, sieht der Max-Planck-Forscher aber nicht kommen. „Wichtiger, als das Gehirn zu verstehen, ist aber ohnehin, sich täglich seiner zu bedienen.“
Stand: 27.05.2005