Wenn Wasser- und Lufttemperaturen steigen, das Eis früher abtaut und weniger dick ist, sich Windhäufigkeiten und -geschwindigkeiten verändern, wenn sich die Sediment- und Nährstoff-Einträge aus den Flüssen erhöhen, werden die Kieselalgen zunächst mit verändertem Wachstum reagieren, so prognostizieren die Wissenschaftler Stephanie Hampton und Ljubow Ismestjewa in ihrer Studie.
Kieselalgen mit „Sonnenbrand“
Zum einen kann sich die Blütezeit verändern, die Algen beginnen dann bereits bei früher einsetzender Eisschmelze sich zu vermehren. Doch wenn das Eis zu dünn ist, sind sie zu starkem Licht ausgesetzt, sie bekommen quasi einen „Sonnenbrand“ und entwickeln sich nicht normal.
Ist das Wasser zu warm, erreichen die Diatomeen nicht die vollständige Größe. Dies wiederum jedoch, so die Wissenschaftler, verändert die Größen- und Verteilungsverhältnisse innerhalb des Baikal-Zooplanktons. Tiere wie der Ruderfußkrebs Epischura finden dann nicht mehr ausreichend Nahrung. Von jenem allerdings sind wiederum größere Krebse und Krabben abhängig, die schließlich Fischen als Nahrungsgrundlage dienen.
Nahrungsgrundlage geht verloren
Untersuchungen auf der antarktischen Halbinsel, so zitiert die Baikalsee-Studie, hätten bereits nachgewiesen, dass ein verringertes Wachstum bei Algen einen 40- bis 65-prozentigen Einbruch der Nahrungsrundlage für die nächsthöhere Stufe der Nahrungskette verursacht. Auch am Baikalsee wurde im Jahr 2008 bereits ein „dramatischer Einbruch“ im Aufkommen von Wasserflöhen festgestellt.
Natürlich beeinflussen die unmittelbaren Folgen des Klimawandels nicht nur die Kieselalgen, sondern auch alle anderen Glieder der Nahrungskette im Baikal. Einige Fischarten, die eher in flacherem und wärmeren Wasser des Baikals leben, könnten sogar von der Erwärmung des Wassers und den von Winden abhängenden veränderten Strömungen profitieren. Andere Tiere, Fische oder auch Krebse, die auf kaltes Wasser angewiesen sind, würden verdrängt werden.
Gefährdeter Räuber
Die Wissenschaftler weisen auch darauf hin, dass neben den Diatomeen, dem kleinsten Glied der Nahrungskette im Baikal, insbesondere auch das an ihrer Spitze stehende Tier, gefährdet sei – die Baikalrobbe. Sie ist zum einen durch ein verändertes Nahrungsangebot gefährdet. Zum anderen aber ist die Baikalrobbe so an die Bedingungen am Baikal angepasst, dass sie auch durch unmittelbare Klimaänderungen in Gefahr gerät. Denn auch die Baikalrobbe ist auf das Eis und die langen Winter angewiesen, um sich fortzupflanzen und den Nachwuchs aufzuziehen.
Früher schmelzendes Eis, so Hampton und Ismestjewa, führe dazu, dass die Robben, kaum dass sie Junge bekommen haben, das schmelzende Eis verlassen müssen. Genau zu dieser Zeit jedoch machten sie den Wechsel vom Winter- zum Sommerfell durch. Durch die frühe Flucht ins offene Wasser, werde der Fellwechsel länger hinausgezögert, und, so die Wissenschaftler, „dies wiederum verringert die Fruchtbarkeit der weiblichen Robben um bis zu 60 Prozent“.
Dies ist nur ein weitere Gefahr, die den Robben droht. Rund 120.000 Robben, so die Angaben der russischen Regierung, soll es noch geben. Doch laut Greepeace schätzen Biologen den Bestand auf gerade noch 60.000 Tiere, „Tendenz rasch fallend“. Kaum zehn Prozent der Jungtiere überleben die Jagdsaison im Frühjahr, denn der Abschuss von rund 10.000 Tieren jährlich ist erlaubt. „Der Bestand überaltert“, so Greenpeace, „deshalb könnte der sibirische Seehund in wenigen Jahren ausgestorben sein.
Edda Schlager
Stand: 10.07.2009