Der Schnee gehört zum Kilimandscharo wie die Mauer zu China, die Golden Gate Bridge zu San Francisco oder der Dom zu Köln. Die riesigen Gletscher auf dem Gipfel des höchsten freistehenden Bergs der Welt sind jedoch nicht nur ein Wahrzeichen, sondern auch ein El Dorado für Wissenschaftler. Denn in ihnen ist die Klimageschichte des afrikanischen Kontinents gespeichert – noch.
Mit dem Schmelzen der Kilimandscharo-Gletscher oder der Eiskappen auf dem Mount Kenya jedoch, droht dieses Klima-Archiv, dieses Fenster in die Vergangenheit zu verschwinden. Einige der Geheimnisse aus der Zeit lange vor Beginn der regelmäßigen Wetteraufzeichnungen hat das uralte Eis aber mittlerweile schon preisgegeben.
So ist es dem Geologen Lonnie Thompson mit seinem Team von der Universität Ohio beispielsweise gelungen, das Alter der Eiskappen zu bestimmen. Wie die Auswertung von sechs Eiskernen, die im Rahmen einer Expedition im Jahr 2000 erbohrt wurden, ergab, sind die Eismassen vor knapp 12.000 Jahr entstanden. Sie begannen sich demnach zu formen als die letzte Eiszeit bereits ihrem Ende entgegen strebte.
Mal trocken, mal nass
Die Analysen von insgesamt 215 Meter Eiskern, die Thompson in die Kühlhäuser des Byrd Polar Research Center bringen ließ, lieferten zudem handfeste Indizien für mindestens drei katastrophale Dürren und eine „Nasszeit“, die die afrikanischen Tropen im Laufe der letzten zwölf Jahrtausende heimgesucht haben.
So war es vermutlich vor rund 9.500 Jahren in Afrika noch sehr viel feuchter als jetzt. Nach den Ergebnissen von Thompson besaß damals beispielsweise der Tschad-See eine Fläche von rund 350.000 Quadratkilometern – zwanzig mal so viel wie heute.
Vor 8.300 Jahren sanken dann die Methankonzentrationen im Eis, die laut Thompson ein Indikator für florierende Feuchtgebiete in den Tropen sind, deutlich. „Wir glauben, dass dies eine klares Signal für ein langsames Austrocknen der afrikanischen Seen ist“, erläutert Thompson am 3. Oktober 2002 im Wissenschaftsmagazin Science.
Ein abruptes Verschwinden von Sauerstoff-18 Isotopen in den Bohrkernen um 5.200 vor heute, werten die Paläoklimaforscher als wichtigen Hinweis für eine zweite heftige Dürre in Afrika. Sie fällt zusammen mit einer Ära des Umbruchs in der Entwicklung des Menschen. Die Jäger und Sammler verschwanden damals mehr und mehr, um Platz zu machen für erste Städte und andere Gesellschaftsstrukturen in der Region.
Eine weitere Trockenperiode gab es dann zur Zeit der Pharaonen in Ägypten vor rund 4.000 Jahren. Darauf deutet nach Angaben von Thompson & Co. zumindest eine markante Staubschicht im Eis hin. Diese Theorie wird gestützt von geschichtlichen Aufzeichnungen, die ebenfalls von einer massiven Dürre berichten, die damals über das Königreich hereinbrach. Bis dahin, so Thompson in Science, lebten viele Menschen in Gebieten, die heute längst zur Wüste Sahara gehören.
Stand: 13.04.2006