Fast so viele Köpfe wie die Hydra in der griechischen Mythologie hat, so viele Gründe gibt es auch für die beinahe jährlichen Überschwemmungskatastrophen in Bangladesch. Und genauso schwer wie die Köpfe der Hydra sind auch die hochwasserauslösenden Faktoren zu besiegen. Monsun, Zyklone und die globalen Klimaveränderungen rütteln an den Grundfesten dieses bevölkerungsreichen Landes.
Das Klima schlägt in Bangladesch extreme Kapriolen. Besonders hochwassergefährdet ist die Monsunzeit von Juli bis September. Gewaltige Niederschlagsmengen gehen dann über dem Himalaya und der Landoberfläche Bangladeschs nieder. Schnell können in diesen Monaten bis zu Zweidrittel des Landes „Land unter“ melden. Auf die regenreichen Monate des Sommermonsuns folgen später kühle, trockene Wintermonate – etwa von Oktober bis März – in denen die Flusspegel Tiefststände melden und das Wasser kaum zur Bewässerung der Felder und zur Versorgung der Bevölkerung ausreicht.
Die in den letzten Jahrzehnten ständig vorangetriebene Abholzung der Wälder an der Südseite des Himalayas und in Bangladesch selber haben die natürliche Speicherfähigkeit des Bodens bei Starkregenniederschlägen erheblich herabgesetzt, so dass viel mehr Wasser als früher in kürzester Zeit in die Flussgiganten Ganges und Brahmaputra gelangt und Richtung Ozean fliesst. Die Pegelstände erreichen blitzartig immer neue Höchstmarken. Schnell ist die Aufnahmefähigkeit der Flussbetten überschritten. Unbarmherzig bahnt sich das Wasser dann seinen Weg und verwandelt riesige Gebiete in Seenlandschaften. Alles was sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen kann, verschwindet in den Fluten.
Nicht nur die Flusshochwasser bedrohen das Land. Fatale Folgen können auch die Zyklonen haben, die sich über dem Indischen Ozean oder dem Golf von Bengalen bilden und dann in Richtung Bangladesch ziehen. Bis zu zehn Meter hohe Sturmflutwellen können diese wirbelnden Winde erzeugen und das Wasser mit großer Heftigkeit in die Flussmündungen drücken. Fast die ganze 580 Kilometer lange Küstenlinie ist von solchen Naturkatastrophen bedroht. Und auch das bierdeckelebene Hinterland kommt regelmäßig die Auswirkungen der Wirbelstürme zu spüren. Der normale Gezeitenrythmus kann solche Flutwellen noch weiter erhöhen.
Als wäre Bangladesch durch Sturmfluten noch nicht genug gestraft, melden Klimawissenschaftler für die Zukunft eine deutliche Zunahme an tropischen Wirbelstürmen im Golf von Bengalen. Die Anzahl an Überschwemmungskatastrophen in Bangladesch wird also in den nächsten Jahren mehr oder weniger deutlich zunehmen.
Und wenn der Meeresspiegel im 21. Jahrhundert aufgrund der globalen Erwärmung wirklich wie prophezeit um einen Meter ansteigt, gehen in vielen Teilen von Bangladesch „die Lichter“ aus. Fast ein Fünftel des Landes würde bedingt durch das außerordentlich flache Relief von Bangladesch dauerhaft und endgültig vom Wasser überflutet.
Stand: 20.11.2000