Lange bevor die Folgen der Klimaänderung in aller Munde waren, haben Ornithologen bereits auf entsprechende Verhaltensänderungen bei Vögeln hingewiesen, die sie in ihren Untersuchungen beobachtet hatten. Frühere Ankünfte von Zugvögeln im Frühjahr, früherer Beginn der Brutzeit und eine Verschiebung von Verbreitungsgebieten nach Norden geben klare Hinweise auf eine generelle Erwärmung Mitteleuropas. Ebenso auch die zunehmende Anzahl von Vogelarten, die inzwischen auch im Winter bei uns bleiben, obwohl sie eigentlich zu den Zugvögeln gehören.
Die Max-Planck-Forscher analysierten erneut die seit über 100 Jahren in Deutschland gesammelten Beringungsdaten und stellten fest, dass ein Drittel der 30 untersuchten Zugvogelarten tatsächlich weniger weit, kürzer oder überhaupt nicht mehr zog. Eine derzeit laufende Analyse zeigt, dass diese Reduktion von Wanderentfernungen selbst bei den Arten auftritt, die nur über kurze Strecken wandern.
So sank die Entfernung, in der beringte Vögel im Winter von ihren Brutgebieten entfernt gefunden wurden, bei Kohlmeisen von mehr als 125 Kilometern in den 1970er Jahren auf bis zu 25, teilweise sogar auf weniger als fünf Kilometer im Jahr 2000 ab. Auch bei Waldkauz und Steinkauz sanken die Wanderungsstrecken im gleichen Zeitraum deutlich ab.
Die individuelle Markierung ermöglicht es den Wissenschaftlern zudem, individuelle Strategien zu identifizieren. So fanden sie einen neben der derzeit beobachtbaren früheren Ankunft und dem späteren Abzug des Mauerseglers aus Mitteleuropa auch eine deutliche Zunahme von Zweitbruten. Die Vogeleltern absolvierten damit zwei vollständige Brutzyklen innerhalb einer Saison. Wie sich diese neue Strategie ausbreitet, und welche Konsequenzen daraus für die Individuen erwachsen, verfolgen die Forscher nun weiterhin mit Spannung.
Aus dem Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft; Wolfgang Fiedler/ Max-Planck-Institut für Ornithologie; Vogelwarte Radolfzell
Stand: 09.01.2009