Trotz des inzwischen tiefen Verständnisses der Krankheitsbilder und ihrer Verbreitung in der Bevölkerung, wird die Diagnose Rheuma in zahlreichen Fällen immer noch zu spät gestellt. Bei Frauen dauert es dabei deutlich länger, bis sie die richtige Diagnose erhalten. Denn bei ihnen ist die Erkrankung zwar häufiger, verläuft aber oft milder als bei Männern, so dass sich eindeutige Blutmarker, Gelenk- und Organschäden erst später zeigen, wie eine Analyse ergab (doi: doi.org/10.1007/s00108-023-01484-3). „Hinzu kommt, dass Frauen ein vielfältigeres Bild an Symptomen zeigen, was eine eindeutige Diagnose zusätzlich erschweren kann“, sagt Uta Kiltz vom Rheumazentrum Ruhrgebiet.
Warum fällt die Diagnose so schwer?
Für Allgemeinmediziner sind die Symptome in frühen Phasen zudem teilweise nur schwer zu erkennen oder von anderen, orthopädischen Krankheiten zu unterscheiden. Auf Röntgen- oder MRT-Bildern sind die Gelenkschäden an Knochen oder Knorpel mitunter (noch) nicht gut erkennbar, gleiches gilt für Ultraschallaufnahmen und die entzündete Gelenkinnenhaut.
Zwar gibt es Marker im Blut, die auf eine Entzündung hinweisen, zum Beispiel ein erhöhter Wert des C-reaktiven Proteins, der sogenannte Rheumafaktor und bestimmte Antikörper. Diese zeigen jedoch nur einen Teil der rheumatoiden Arthritis-Fälle an, bei weitem nicht alle rheumatischen Erkrankungen. Zusätzlich erschwert wird die genaue Diagnose bei älteren Menschen, wenn sie unter zwei Rheuma-Formen gleichzeitig leiden, etwa Arthrose und rheumatoider Arthritis.
„Rheumatische Erkrankungen sind schwer zu diagnostizieren und bedeuten für viele Betroffene eine Odyssee von Arzt zu Arzt. Oft vergehen Jahre bis zur Diagnose“, erklärt die Deutsche Rheumaliga. Viele Betroffene leiden daher unnötig und entwickeln irreparable Schäden an ihren Gelenken, weil sie erst nach mehreren Monaten oder Jahren an einen Facharzt überwiesen werden. Hinzu kommen dann oft lange Wartezeiten für Behandlungstermine in der Rheumatologie.
Neue Methoden zur Rheuma-Diagnostik
Abhilfe könnte unter anderem eine neue Diagnosemethode schaffen, die Knorpelschäden bei Arthrose durch Schall erkennt. Eine Pilotstudie ergab vor einigen Jahren, dass die geschädigten Gelenke charakteristische Geräusche machen, die mithilfe hochsensitiver Mikrofone aufgezeichnet werden können. Erfahrene Mediziner erkennen an dem Knarren zuverlässig, ob eine Arthrose vorliegt. „Die Schalldiagnostik kann möglicherweise schon früher als Röntgenaufnahmen oder MRT einen Gelenkverschleiß bemerken“, sagt Udo Wolf von der Hochschule Fulda.
Eine anderer Ansatz ist der sogenannte Rheumascan: Dieser setzt auf Infrarotlicht und einen fluoreszierenden Farbstoff, um Entzündungsherde früher sichtbar zu machen als dies mit Röntgenaufnahmen möglich ist. Dabei wird Patienten ein fluoreszierendes Kontrastmittel ins Blut injiziert. Weil die entzündeten Gewebe stärker durchblutet werden, sammelt sich dort beim Durchfluss kurzfristig mehr von dem Farbstoff an. Bei gleichzeitiger Bestrahlung mit Licht im nahen Infrarotbereich leuchten diese Rheuma-Herde daher im Bild spezieller Kameras auf und sind so für Mediziner besser erkennbar als mit Röntgen- oder MRT-Bildern.
Die Prototypen für diese vielversprechenden neuen Diagnosetechniken per Schall oder Licht gibt es bereits. Großangelegte klinische Studien müssen ihren Nutzen nun noch bestätigen, damit ihr Einsatz ausgeweitet werden kann. Der Rheumascan kommt in ausgewählten Kliniken und Praxen aber bereits zum Einsatz.
Früherkennung dank KI
Eine schnellere Diagnose versprechen sich Mediziner künftig auch durch Künstliche Intelligenz. Das Karlsruher Start-up Medical Values entwickelt beispielsweise eine KI, die mit Diagnosedaten von Rheumatologen gefüttert wird und das gebündelte Expertenwissen dann an nicht-spezialisierte Hausärzte weitergeben kann. Mithilfe der Software können diese dann zuverlässigere und frühere Rheumadiagnosen stellen.
Generell gilt: „Wer bei sich über einen längeren Zeitraum von vier bis sechs Wochen Gelenkschmerzen oder Fieber, Schwitzen und Gewichtsverlust bemerkt, sollte seinen Hausarzt aufsuchen, weil es sich möglicherweise um Rheuma handelt“, rät der Rheumatologe Martin Kriegel von der Universität Münster. Die Warnzeichen ernst zu nehmen lohnt sich.
Ausbruch kann verhindert werden
Denn neuere Studien legen nahe, dass Menschen bereits vor der eigentlichen Rheuma-Diagnose und den ersten Symptomen behandelt werden sollten. Das gilt für Personen mit einem genetisch bedingten erhöhten Risiko für eine rheumatoide Arthritis sowie Patienten in einem frühen Stadium, wenn zwar Anzeichen für Gelenkentzündungen messbar sind, diese aber noch keine akuten Beschwerden verursachen. Durch eine sehr frühzeitige medikamentöse Therapie kann der Ausbruch der Krankheit stark verzögert oder gar verhindert werden (doi: 10.1016/S0140-6736(23)02650-8).