Zoologie

Können Affen sprechen?

Zur Kommunikation von Mensch und Affe

Ein Traum ist wahr geworden – wir Menschen haben einen Weg gefunden mit unseren nächsten Verwandten zu kommunizieren: Allerdings nicht durch gesprochene Worte, sondern mithilfe einer „Plauderei der Hände“. Wie kam es dazu?

Noch Ende der 1940er und in den 1950er Jahren wurde mit allen Mitteln versucht Schimpansen die menschliche Sprache beizubringen. Auch nach mehreren Jahren intensivstem Stimmtrainings umfasste das sprachliche Repertoire der in den USA aufgezogenen Schimpansen und Orang-Utans nicht mehr als Mama, Papa, cup und up. Der Denkfehler der Forscher: Sprachfähigkeit wurde mit Lautsprache gleichgesetzt. Doch die gesprochene Sprache ist nur eine Ausdrucksmöglichkeit, und diese scheint den Schimpansen einfach nicht zu liegen.

Schimpansen bedienen sich im Freiland einer komplexen Kommunikation aus Mimik, Gestik und Lauten. Aufgrund seiner hochentwickelten Gesichtsmuskulatur ist ein Schimpanse in der Lage eine Vielzahl von Emotionen auszudrücken – auch ohne gesprochene Sprache.

Unkontrollierte Laute und Töne

Dennoch können auch Schimpansen mindestens 32 unterschiedliche Laute von sich geben. Ein Bespiel sind die so genannten Pant-hoots, eine Reihe von Huhu-Lauten, verbunden mit japsenden Atemzügen, die als Kontaktrufe dienen. Fühlen sich Schimpansen bedroht, stoßen sie die Pant-grunts, japsende Grunzlaute aus. Was ihnen fehlt, ist die Kontrolle über diese Laute und Töne, denn sie werden in einem primitiven Teil des Gehirns, dem limbischen System, erzeugt. Wer sich jemals mit dem Hammer auf den Daumen gehauen hat, kennt diese Art von Schrei.

Weshalb sich der Affe nicht der Lautsprache bedient, deren Kontrollzentrum beim Menschen in der Großhirnrinde liegt, hat vor allem anatomische Gründe. Der Schimpanse hat eine vergleichsweise dünne Zunge, sein Kehlkopf liegt höher und der Rachenraum ist kleiner, so dass ihm die Aussprache von Vokalen extrem schwerfällt. Der moderne Mensch, wie einst sogar schon der Neandertaler, besitzt zudem einen vergleichsweise doppelt so großen Unterzungennerv. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Vergrößerung dieses Nervus hypoglossus mit der Evolution der menschlichen Sprache einherging.

Gebärdensprache: Lautlose Plauderei

Der amerikanische Psychologe Roger Fouts begann Ende 1967 mit der damals zweijährigen Schimpansin Washoe mit Hilfe der amerikanischen Zeichensprache ASL zu „reden“. Nach jahrelangem Training entwickelte sich zwischen dem Forscher Fouts und Washoe eine innige Freundschaft. Auf einem Waldspaziergang im Sommer 1978 deutete sie ihm mit ihren Händen: BAUCH KIND. Sie war schwanger. Ihr Junges lernte von seiner Mutter ebenfalls die Symbole der Gebärdensprache, in der auch der Rest der in Gefangenschaft gehaltenen Schimpansengruppe regelmäßig untereinander kommunizierte.

Fouts gründete Mitte der 1990er Jahre das Chimpanzee and Human Communication Institut im US-Staat Washington. Regelmäßig kommunizieren dort die Schimpansen Moja, Tatu, Dar, Loulis und das Familienoberhaupt Washoe nicht nur mit ihren Pflegern und Wissenschaftlern, sondern auch mit taubstummen Kindern. Durch das Gitter ihres geräumigen Freigeheges plappern Kind und Schimpanse mit ihren flinken Händen über Kleidung, Puppen, Lippenstift, Liebe und Freundschaft und die Grenzen zwischen Mensch und Affe scheinen plötzlich verschwindend gering.

Kein Kluger-Hans-Effekt

Die intelligenten Menschenaffen büffeln die Zeichensprache durch Zuschauen und Nachahmung. Manche Individuen besitzen einen Wortschatz von 1.500 Wörtern und bringen regelmäßig Vier-Wort- und gelegentlich auch Sieben-Wort-Sätze zustande. Bei der Gorilladame Koko wurde ein IQ von 95 ermittelt. Sie kann in der ASL-Sprache sogar reimen und Metaphern bilden.

Doch verstehen die Affen wirklich, was der Mensch, egal ob gesprochen oder gedeutet meint? Oder handelt es sich nur um den Kluger-Hans-Effekt, bei dem das Testindividuum nicht das Testproblem versteht und löst, sondern herausfindet, welches Ergebnis der Tester möglicherweise erwartet. Um diese Möglichkeit auszuschalten, gaben Wissenschaftler dem Bonobo namens Kanzi über Kopfhörer Anweisungen. Sie benutzen dabei bekannte Wörter in einem Zusammenhang, den der Zwergschimpanse zuvor nicht kannte. Kanzi tat wie befohlen, ging vor die Tür, ließ den gelben Ball wie angegeben liegen, nahm den Roten und legte ihn in einen Eiskasten. Voilá – der Beweis, dass manche Schimpansen und Bonobos Englisch verstehen lernen konnten.

Doch keine Angst – einen „Planet der Affen“ wird es wohl nie geben. Die Intelligenz der ausgewachsenen Menschenaffen vergleichen Wissenschaftler mit der eines vierjährigen Menschen. Aber wer weiß, vielleicht irren ja auch nur deren Messmethoden…

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Stand: 27.06.2003

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Menschenaffen
Die Letzten ihrer Art?

Fünf vor Zwölf im Regenwald
Vom Exitus der Menschenaffen

Buschfleisch
Schimpansen-Schnitzel auf der Speisekarte

Wie helfen?
Lastminute Naturschutz

Charly, Cheeta und Co
Vom Schicksal eines tierischen TV-Stars

Orang-Utans - Rote Riesen
Die zottigen "Waldmenschen" von Borneo und Sumatra

Gorillas: Sanftmut in Schwarz
"King Kong" als Lebensretter

Schimpansen: Spiegelbild des Menschen?
Tierische Krieger, Lügner und Genies

Bonobos: Freie Liebe, statt Kriege
Die "Frauen-Power" der Zwergschimpansen

Die Welt der Familie Gibbon
Kleine Außenseiter unter den Menschenaffen

Der King-Kong-Komplex
Vom Leben berühmter Primatologinnen

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Zur Kommunikation von Mensch und Affe

Fast ein Mensch?
Die Evolution der Menschenaffen

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