Ökologie

Körpereigene Vorratstanks

Wie Kamele und Wüstenschildkröten die Natur überlisten

Wüstenschildkröte © U.S. Fish and Wildlife Service / Beth Jackson

Langsam und gemächlich zieht die Karawane schwer beladen über den Dünengrad hinweg. Eine ganze Woche sind Menschen und Kamele jetzt schon unterwegs in der Sahara ohne auf eine Oase zu treffen. Business as usual – zumindest bis vor wenigen Jahrzehnten. Ernstlich in Gefahr gerieten die Karawanen nur selten. So lange die Wasserschläuche gut gefüllt waren, konnten weder Sandstürme noch die glühende Hitze den versierten arabischen oder europäischen Handlungsreisenden etwas anhaben.

Kamele © IMSI MasterClips

Doch nicht nur die Menschen legen sich einen Vorrat an Wasser zu, bevor sie in die Wüste ziehen, manche Tiere tun das auch. Praktischerweise kommen sie dabei ohne äußere Hilfsmittel wie Flaschen oder Fässer aus: Sie speichern große Mengen an Wasser in körpereigenen Vorratstanks.

Wüstenschildkröten zum Beispiel besitzen besondere Speicher, die sie an Wasserlöchern, nach den seltenen starken Regengüssen oder mithilfe von wasserreicher Pflanzenkost wieder auffüllen. Diese Reserve wird rationiert und in den Trockenzeiten dann nach und nach verbraucht. Mehrere Monate soll die Wüstenschildkröte nach Angaben von Wissenschaftlern nach einer solchen „Volltankung“ ohne weitere Flüssigkeitsaufnahme auskommen.

Wüstenschiffe mit Wasserlagern

Auch Kamele oder Dromedare, die Lasttiere der Wüste, kommen, wenn sie gut getränkt sind, weit mehr als eine Woche ohne weitere Wasserzufuhr aus. Auch sie verfügen über eine Art Zwischenlager für Flüssigkeit in ihrem Körper. Dieses befindet sich allerdings nicht wie man früher vermutete in den Höckern – diese dienen in erster Linie als Energiespeicher vor allem in Form von Fetten – sondern in großen, speziell dafür ausgerichteten Zellen der Magenwand. Das gespeicherte Wasser wird wie bei der Wüstenschildkröte in den Trockenzeiten nach und nach dem Stoffwechsel wieder zugeführt. Zusätzliches Wasser für die Lebensvorgänge im Inneren des Körpers kann zudem über den Abbau des in den Höckern gespeicherten Fetts frei werden.

Trotz dieser Vorratswirtschaft ist es natürlich auch für die Kamele wichtig, mit dem zur Verfügung stehenden kostbaren Nass sorgsam umzugehen und nur wenig Wasser durch Exkretion und Verdunstung zu verlieren. Die Wüstenschiffe haben auch hierfür eine elegante Lösung gefunden. So sind sie in der Lage, einen außerordentlich konzentrierten Urin und Kot zu produzieren. Während der langen Wüstenwanderungen können sie zudem die Nasenlöcher fest verschließen, um so möglichst wenig Wasser über die Atmung zu verlieren.

Toleranz gegen Wasserverluste

Karawane © IMSI MasterClips

Noch ein weiteres Phänomen erhöht die Wüstentauglichkeit der Kamele erheblich. Ihr Körper zeigt eine stark erhöhte Toleranz gegenüber Wasserverlusten. Beim Menschen führt eine Abnahme des Wassergehalts um zehn bis zwölf Prozent bereits zu erheblichen Störungen des Stoffwechsels oder zum Tod. Wie Forscher ermittelt haben, können Kamele doppelt so hohe Verluste problemlos überleben. Das liegt daran, dass beim Menschen das Blutvolumen bei großen Wasserverlusten schneller abnimmt als das Körperwasser. Das Blut wird so immer zähflüssiger und kann die überschüssige Körperwärme nicht mehr schnell genug zur Abgabe an die Haut transportieren.

Die Wüstenschiffe dagegen halten den Wassergehalt im Blutplasma durch besondere Regelmechanismen auch dann noch relativ konstant, wenn sie bereits große Mengen Wasser verloren haben. Die „Schmerzgrenze“ für den Wasserverlust kann bei ausgedehnten Karawanenexpeditionen weit über 120 Liter liegen. An einem Wasserloch oder in einer Oase angekommen, gleichen die Kamele ihre Wasserdefizite durch einmaliges Trinken in kürzester Zeit – maximal zehn Minuten – wieder aus.

Die Kamele sind mit ihrer Toleranz gegenüber Wasserverlusten im Tierreich aber keineswegs einsame Spitzenreiter. Einige Eidechsenarten können – allerdings nur kurzzeitig – bis zu 50 Prozent und einige Schnecken bis zu 80 Prozent ihres Wassergehaltes verlieren ohne daran zu sterben.

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Stand: 24.02.2005

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Inhalt des Dossiers

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