Antoniettis Plan zur Nutzung pflanzlicher Abfälle ist neu: Seine hydrothermale Karbonisierung wandelt Biomasse – auch wenn sie nass ist – vollständig in Kohlenstoff und Wasser um. „Und hier liegt genau die Pointe“, freut sich der Max-Planck-Direktor. „Es entsteht nicht etwa CO2, sondern das einzige Nebenprodukt ist eben Wasser.
Der gesamte Kohlenstoff, den das Material enthält, bleibt im Produkt gebunden. Das heißt: Unsere Kohlenstoffeffizienz beträgt 100 Prozent. Was wir am Anfang an Kohlenstoff reinstecken, kriegen wir am Ende als Kohlenstoff auch wieder raus, für die Kohlenstoffbilanz die optimale Lösung. Mehr Kohlenstoff kann man nicht nachhaltig binden.“
Vom Zucker zum Kohlenstoff
Man sieht das an der Formel: Nimmt man von einem Zuckermolekül fünf Wasser weg, entsteht praktisch reiner Kohlenstoff mit ein paar Restgruppen von Wasserstoff und Sauerstoff: Braunkohle. Sie besteht aus feinsten Kügelchen und ist extrem porös, mit der für viele Anwendungen interessanten Porengröße von acht bis 20 Nanometer. „Das ist reiner Zufall“, meint Antonietti, „das haben wir nie geplant, das ist ein Geschenk der Natur“. Der verkohlte Kiefernzapfen hat zwar noch die gleiche Form wie vorher, er ist jedoch kein Zapfen mehr, sondern genau genommen ein Nanoprodukt.
Die Natur macht genau das Gleiche, aber ganz langsam. Torf braucht zu seiner Entstehung 500 bis 5.000 Jahre, Braunkohle 50.000 bis 50 Millionen Jahre, Steinkohle aus dem Karbon ist sogar 150 Millionen Jahre alt. Die Potsdamer Forscher hingegen schaffen das über Nacht. Und die Reaktion ist exotherm, das heißt, es entsteht spontan Wärme. Bei einem der Versuche ist sogar die Reaktionskammer explodiert, weil zu viel Energie frei wurde.
„Das Geniale an diesem Prozess ist seine Einfachheit“, sagt Markus Antonietti. Aber er sei wohl zu offensichtlich, um in den Lehrbüchern zu stehen. „Das hat schon Edgar Allan Poe gewusst: Die beste Art, etwas zu verstecken, ist, es offen hinzulegen.“
Kohle für Brennstoffzellen oder Kraftstoff
Was kann man nun mit dem Kohle- Wasser-Gemisch anfangen? Man könnte es natürlich als Kohle verheizen, aber das wäre nur die einfachste und keineswegs die beste Lösung. Viel besser ist es etwa, diese feine Kohlepulver- Wasser-Mixtur zum Betrieb einer neuen Art von Brennstoffzelle zu verwenden. Die Prototypen, die es heute davon schon gibt, beispielsweise an der Harvard-Universität, haben einen Wirkungsgrad von 60 Prozent. Man betreibt sie mit „Kohlematsch in Wasser“ – wie er bei der hydrothermalen Karbonisierung entsteht.
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Wer nicht Strom, sondern lieber Kraftstoff damit erzeugen will, muss das Kohlenstoff-Wasser-Gemisch einfach noch heißer machen, denn dann entsteht daraus wieder mittels einer exothermen Reaktion so genanntes Synthesegas, also Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Daraus lässt sich direkt Benzin herstellen, und zwar mittels des altbewährten Fischer-Tropsch-Verfahrens. Die eingesetzte Biomasse ist also zu einem hoch wertvollen Ausgangsprodukt geworden, das man verstromen oder in Benzin umwandeln kann.
„Anstatt einen Kubikmeter Kompost einfach in einer Gartenecke verrotten zu lassen, könnte man ihn in Zukunft zu einer lokalen Fabrik bringen, um dafür 200 Liter Sprit zurückzukriegen“, stellt sich Antonietti die praktische Umsetzung vor.
Stand: 14.07.2006