Seit nunmehr 30 Jahren herrscht Krieg in Afghanistan. Mehrere Generationen haben Frieden in ihrem Heimatland nie kennen gelernt, Menschen, die in Flüchtlingslagern in Pakistan aufgewachsen sind, Kinder, die im Iran den Lebensunterhalt für ihre daheim gebliebenen Familien verdienen, vermögende und meist gebildete Afghanen, die ihr Land dauerhaft in Richtung Westen verlassen haben. Und die hunderttausenden Flüchtlinge, die nun nach Afghanistan zurückkehren, erleben erneut ein von Selbstmordanschlägen und Militäroperationen der Ausländer zerrüttetes Land.
Die Geschichte Afghanistans ist die von Kriegen. Und nach Meinung mancher Experten hat der Staat seit seiner Gründung Ende des 19. Jahrhunderts im Sinne eines modernen Staates noch nie flächendeckend funktioniert.
Zwischen Persien, Indien und Zentralasien
Fast drei Jahrhunderte lang war die Region des heutigen Afghanistans Pufferzone zwischen Persien, den indischen Groß-Moghulen und den zentralasiatischen Reichen im Norden.
Im 18. Jahrhundert, als die Macht der Perser und Inder nachließ, schlossen sich mehrere Paschtunen-Stämme zusammen und bestimmten in einer großen Ratsversammlung in Kandahar einen Emir aus ihren Reihen. So besagt es die Legende der Paschtunen. Möglich ist auch, dass Emir Ahmad Shah Abdali die Macht gewaltsam an sich riss. Sicher ist jedoch, dass der lockere Verbund von paschtunischen Fürstentümern nicht sehr lange Bestand hatte.
Zwischen Persien, Russland und England
Bis ins 19. Jahrhundert hinein war Afghanistan von Stammesfehden geprägt, bei denen es vor allem um die Herrschaft über die Machtzentren wie Kabul, Kandahar oder Herat ging. Und das Land wurde erneut zur Pufferzone, nun zwischen Persien, dem zaristischen Russland, das einen Weg zum Indischen Ozean suchte, und England, das seine indischen Kolonien ausdehnen und schützen wollte.
In Afghanistan erlebte England seine verlustreichsten militärischen Niederlagen als Kolonialmacht, denn die afghanischen Stämme taten alles dagegen, sich vereinnahmen zu lassen.
Protegiert durch die Briten gelangte schließlich im Jahr 1880 Abdur Rahman auf den afghanischen Thron. Während seiner Herrschaft wurden in den Jahren 1887 bis 1895 die Grenzen des heutigen Staates Afghanistan festgelegt – der Fluss Amudarja, oder auch Pjansch, als Nordgrenze zum Emirat von Buchara im russischen Zarenreich, der Wakhan-Korridor im äußersten Nordosten Afghanistan, der den Puffer zwischen Russland und den Britischen Kolonien bis nach China ausdehnte, und die Durand-Linie, die die Grenze zu Britisch-Indien im Osten und Südosten markierte und heute die Grenze zu Pakistan ist.
Bestimmt wurden die Grenzen durch die Kolonialmächte, ohne Rücksicht auf natürliche Regionen und dort lebende Bevölkerungsgruppen. Die Siedlungsgebiete von Usbeken und Turkmenen wurden zerrissen, ebenso wie die der Pamiri in Badakhshan im Nordosten, die der Nuristani, Belutschen und Paschtunen im Osten und Südosten.
Beginnende Modernisierung
Abdur Rahman jedoch begann dessen ungeachtet mit dem Aufbau eines Zentralstaats. Er richtete eine staatliche Verwaltung ein und schuf eine Ratsversammlung in Kabul – die so genannte Jirga. Dadurch waren die Stammesfürsten erstmals gezwungen, weitab ihrer Herrschaftsgebiete zu leben. Aufstände oder Stammesfehden wurden mit Abdur Rahmans Hilfe blutig niedergeschlagen. Ebenso begann der Emir mit einer „Paschtunisierung“, Paschtunen wurden vor allem im Norden angesiedelt, wo bisher vorwiegend andere ethnische Gruppen gelebt hatten. Auch bei der Verteilung von Land wurden die Paschtunen bevorzugt. Durch die Härte des Regimes erlangte der afghanische Staat eine gewisse Stabilität.
Die Familie des Emirs behielt die Herrschaft in Afghanistan. Unter seinem Enkel Amanullah erlangte Afghanistan schließlich im Jahr 1919 die Souveränität von Britisch-Indien.
Stand: 25.07.2008