Die Phagentherapie könnte eine effektive Alternative zur Behandlung mit Antibiotika sein. Doch der in Georgien seit langem etablierte Behandlungsansatz kann nicht so einfach nach Westeuropa oder in die USA importiert werden. Denn hier herrscht eine ganz andere Zulassungskultur als in dem osteuropäischen Land.
In Georgien sind große Studien und genaue statistische Analysen anders als bei uns nicht vorgeschrieben. Stattdessen verlassen sich Ärzte und Patienten in erster Linie auf gesammelte Berichte über Einzelschicksale. Untersuchungen, die den in der westlichen Welt geltenden Standards der evidenzbasierten Medizin entsprechen, existieren so gut wie keine. Die Sicherheit und Wirksamkeit der Phagen als Therapiemittel muss daher nun erst einmal bewiesen werden.
Intensive Forschungsbemühungen
Bisher kommen Phagen in westlichen Ländern vor allem in der Lebensmittelverarbeitung zum Einsatz: Sie sollen die Kontamination von Milch- und Fleischerzeugnissen mit Bakterien wie Salmonellen reduzieren. Dies ist zum Beispiel in den USA, Kanada, Neuseeland und den Niederlanden schon länger Praxis.
Damit die Phagen bald auch für medizinische Zwecke genutzt werden können, finden inzwischen zunehmend intensive Forschungsbemühungen statt. In Deutschland ist daran an erster Front die Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) in Braunschweig beteiligt.
Ein erstes großes Projekt
Das Leibniz-Institut sammelt und untersucht Phagen aus aller Welt – und ist in einem Pionierprojekt aktiv: Seit Herbst 2017 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung ein erstes großes Forschungsprojekt mit Bakteriophagen in Deutschland. Ziel ist es, das Potenzial der Phagen unter anderem für schwere Lungeninfektionen zu erforschen. Am Ende des Projekts sollen die potenziellen Arzneimittel in einer klinischen Studie getestet werden.
Einen Schritt weiter ist man bereits in unserem Nachbarstaat Belgien: Seit Anfang 2018 dürfen Patienten dort in Einzelfällen mit individuell für sie hergestellten Phagenmedikamenten behandelt werden. Bis sich die Phagentherapie europaweit durchsetzt und auch in Deutschland Anwendung findet, dürfte es allerdings noch dauern – selbst dann, wenn es aussagekräftige klinische Untersuchungen gibt.
Hindernis Bürokratie
Neben der wissenschaftlichen Evidenz fehlt es bisher nämlich auch an den entsprechenden rechtlichen Regularien für eine allgemeine Zulassung innerhalb der EU: Fallen Bakteriophagen unter Medikamente, Impfstoffe oder eine neue, noch zu definierende Klasse von medizinischen Produkten? Und wie ist überhaupt eine generelle Zulassung möglich, wenn Phagenmittel möglicherweise für jeden Patienten neu zusammengemischt werden?
All dies sind Fragen, mit denen sich die zuständigen Behörden nun beschäftigen müssen. Angesichts des zunehmenden Resistenzproblems bleibt zu hoffen, dass diese bürokratischen Hürden schnell überwunden werden. Dann könnten Bakteriophagen in Zukunft tatsächlich eine Alternative im Kampf gegen Bakterien sein – dort, wo die gängigen Antibiotika versagen.