Rein physikalisch gesehen ist Musik einfach nur Schall – ein Geräusch wie viele andere auch. Dennoch scheinen wir instinktiv zu erkennen, dass es sich bei diesen Lauten um Musik handelt. Unser Gehirn reagiert auf Melodien, bestimmte Rhythmen und Harmonien anders als auf zufällig Geräusche. „Es mehren sich die wissenschaftlichen Belege dafür, dass unser Gehirn auf ganz spezifische Weise auf Musik reagiert“, erklärt Lisa Hartling von der University of Alberta.
Woran erkennt unser Gehirn Musik?
Warum das so ist und wie unser Gehirn Musik von bloßen Geräuschen unterscheidet, ist allerdings bis heute rätselhaft. Einige Forscher vermuten, dass Musik unabhängig von allen kulturellen Unterschieden bestimmte universelle Merkmale besitzen könnte – naheliegend sind beispielsweise wiederkehrende Rhythmen oder Tonfolgen.
Vor einigen Jahren stießen niederländische Wissenschaftler bei den Tonleitern verschiedener Musikkulturen auf Indizien einer solchen Universalität. Behandelten sie die mehr als 1.00 Tonleitern aus aller Welt als multidimensionale Objekte und platzierten sie in einem Koordinatensystem, dem sogenannten Euler-Gitter, entstanden einander sehr ähnliche Muster: Alle traditionellen Skalen – egal aus welchem Kulturkreis – erzeugten sternförmig-konvexe Muster.
Konzertierte Aktion der Hörrinde…
Was aber passiert in unserem Gehirn, wenn wir Musik hören? Der Schall kommt wie alle Geräusche in unserem Ohr an und wird in der Cochlea in elektrische Nervensignale umgewandelt. Über den Hörnerv gelange diese Signale in die primäre Hörrinde – Hirnareale, die auf beiden Kopfseiten knapp über unseren Ohren im Cortex liegen.
Hier findet eine erste Verarbeitung der Musiksignale statt: Funktionelle Hirnscans deuten darauf hin, dass bei den meisten Menschen die Tonhöhe, sowie bestimmte Aspekte der Harmonien vor allem vom rechten Hörzentrum verarbeitet werden. Das Hörzentrum der linken Seite scheint dagegen eher auf schnelle Wechsel in Frequenz und Intensität der Töne zu reagieren.
…und vieler weiterer Areale
Doch das allein reicht noch nicht: Das musikalische Hörerlebnis entsteht erst durch eine fein abgestimmte und vernetzte Interaktion ganz unterschiedlicher Hirnareale. Ob wir eine Geige oder eine Flöte hören oder ob jemand singt, erkennen wir beispielsweise erst, nachdem ein Hirnareal in der Nähe der rechten Hörrinde die Klangfarbe der Musik analysiert hat.
Im Frontallappen wiederum wird das Gehörte mit Erinnerungen abgeglichen – so erkennen wir beispielsweise eine uns bekannte Melodie wieder. Studien zeigen zudem, dass je nach Musikart der Schwerpunkt der Verarbeitung in ganz verschiedenen Arealen liegen kann. Ob wir gerade eine klassische Symphonie hören oder einen Popsong, lässt sich demnach sogar an unserer Hirnaktivität ablesen.
Warum uns Musik zum Tanzen bringt
Der Rhythmus der Musik aktiviert ebenfalls eine ganze Schar von Hirnbereichen: An seiner Dekodierung sind sowohl die primären Hörzentren beteiligt als auch das Kleinhirn und Teile der Frontallappen. Gemeinsam helfen sie uns dabei, beispielsweise einen Dreiviertel- von einem Viervierteltakt zu unterscheiden.
Sogar unsere motorische Hirnrinde, der Bereich, der normalerweise Muskelbewegungen steuert, wird beim Musikhören aktiv. „Musik ist offenbar ebenso akustisch wie motorisch anregend“, sagt Mark Tramo von der Harvard University. „Wenn wir nur daran denken, mit dem Fuß mitzuwippen, leuchten schon Teile der Bewegungssteuerung im Gehirn auf.“ Das uns einige Musikstücke geradezu „in die Beine gehen“, geht auf diese enge Verknüpfung zurück.
Nadja Podbregar