Zoologie

Kopfüber an der Decke

Wieso Geckos an Wänden laufen können

Ob an Hauswänden, auf Bäumen oder an der gläsernen Terrarienwand: Geckos (Gekkonidae) können auf so gut wie jeder Oberfläche laufen – auch über Kopf. Grund dafür sind ihre speziellen Haftfüße. Schon im vierten Jahrhundert vor Christus soll sich der Philosoph Aristoteles darüber gewundert haben, wie Geckos „einen Baum hinauf- und hinunterlaufen“ und das „sogar mit dem Kopf nach unten“. Bis Forschende herausfanden, wie Geckofüße funktionieren, sollten jedoch noch zirka 2.400 Jahre vergehen.

Makroaufnahme eines Geckofußes
Auf diesem Bild sind lediglich die Haftlamellen des Geckos zu erkennen. © PanWoyteczek/CC-by 4.0

200 Nanometer für viel Grip

Ein Forschungsteam um den Biologen Kellar Autumn vom Lewis and Clark College in Oregon ist der Frage nach den Mechanismen hinter der Haftung der Geckofüße im Jahr 2002 auf den Grund gegangen. Bis dahin vermuteten Wissenschaftler, dass beispielsweise ausschließlich Kapillarkräfte oder Mikroverhakungen hinter der Haftung stecken.

Der wahre Grund für die haftenden Geckofüße ist aber noch viel mikroskopischer: Die Lamellen an den Zehen der Geckos bestehen aus Millionen sogenannter „Setae“, die mit einer Breite von sechs Mikrometern gerade einmal ein Zehntel des Durchmessers eines menschlichen Haares erreichen. Diese Setae wiederum bestehen aus mehreren hundert „Spatulae“, winzigen Borsten, die etwa 200 Nanometer breit und lang sind. Die Spatulae können sich aufgrund ihrer geringen Größe so eng an Oberflächen anlegen, dass ihr Abstand zur Oberfläche im Nanometerbereich liegt.

Dies sind perfekte Voraussetzungen für Van-der-Waals-Kräfte, wie Autumn und sein Team herausfanden. Diese Wechselwirkungen entstehen zwischen Atomen oder Molekülen, wenn ihre elektrische Ladung ungleichmäßig verteilt ist. Dabei bildet sich ein temporärer Dipol, bei dem eine Seite des Moleküls leicht negativ und die andere leicht positiv geladen ist. Die entgegengesetzten Ladungen benachbarter Moleküle ziehen sich an und erzeugen eine schwache Bindung.

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Anpassungskünstler Gecko
Flinke Wandläufer auf (fast) allen Kontinenten

Kopfüber an der Decke
Wieso Geckos an Wänden laufen können

Ganz schön inspirierend
Wie Gecko-Mechanismen der Wissenschaft und uns nutzen

Wundersamer Tokeh
Sechster Sinn und Fähigkeit zur eigenen Wiedererkennung

Der Gecko als Weltenbummler
Von der Urzeit bis zur Gegenwart

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Krallengecko auf HAnd
Geckos der Gattung Coleonyx haben keine Haftlamellen, sondern kleine Krallen. © Maximilian Paradiz/CC-by 2.0

Schwache Kräfte – starke Wirkung

Die Anziehung der Van-der-Waals-Kraft wirkt jedoch nur über sehr kurze Distanzen, so dass die Moleküle nahezu in Kontakt stehen müssen. Doch genau diese kurzen Distanzen schaffen die feinen Härchen der Geckofüße: Sie bringen Oberfläche und Geckofuß in so dichten Kontakt, dass diese Kräfte wirksam werden. Durch die enorme Zahl der feinen Spatulae pro Geckofuß addiert sich diese Anziehung zu einem ausreichend starken Effekt.

Die Kraft der Setae ist stärker als vermuten lässt: „6,5 Millionen Setae eines einzelnen Tokeh-Geckos konnten bei maximaler Anhaftung eine Kraft von 130 Kilogramm erzeugen“, erklären Autumn und sein Team.

Reversible Haftung

Einmal angehaftet, können Geckos diese Haftung aber auch schnell wieder beenden: In nur 15 Millisekunden lösen sie ihre Füße ohne große Anstrengung wieder von der Oberfläche ab. Aber wie kriegen sie das so schnell hin? Das haben Autumn und seine Kollegin Anne Peattie ebenfalls im Jahr 2002 untersucht. Die simple Antwort: Geckos vergrößern den Winkel ihrer Füße zur Oberfläche, auf der sie sitzen, auf 30 Grad. Dazu rollen sie ihre Zehen nach oben ab. 

„Es ist wahrscheinlich, dass mit zunehmendem Winkel die Spannung an der hinteren Kante der Seta steigt, wodurch die Bindung zwischen den Spatulae und der Oberfläche aufbricht“, erklären Autumn und Peattie. „In ähnlicher Weise könnte das ungewöhnliche Abrollen der Zehen dazu beitragen, die Ablösungskräfte zu verringern oder sogar zu eliminieren, indem stets nur eine kleine Anzahl von Setae gleichzeitig gelöst wird.“

Altes Werbeposter für eine Teflonpfanne
„Nichts bleibt haften in der ‚happy pan‘“ – dieses alte Werbeposter für eine teflonbeschichtete Pfanne scheint sein Versprechen zu halten. © historisch

Geckos haften überall…oder nicht?

Aber können Geckos wirklich an jeder Oberfläche haften bleiben? Tatsächlich nicht. Genau wie Spiegelei oder ein Stück Fleisch bleiben auch Geckos nicht an Teflon oder andern Antihaftbeschichtungen kleben. Teflon, chemisch Polyetrafluoethylen, besteht aus langen Ketten von Kohlenstoffatomen, die vollständig von Fluoratomen umgeben sind. Durch die hohe Elektronegativität der Fluoratome sind temporäre Ladungsverschiebungen, wie sie bei den Van-der-Waals-Kräften üblich sind, nicht möglich.

Als Folge können keine Anziehungskräfte zwischen Geckofuß und Teflonoberfläche entstehen. Der Gecko bleibt nicht haften und rutscht ab.

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