Vertreter des „Bottom-Up“ Ansatzes sind natürlich genauso auf Ergebnisse aus, wie ihre „Top-Down“-Kollegen, bei ihnen ist jedoch auch der Weg dahin schon eine Art Ziel. Nach dem Prinzip der Bionik wollen sie künstliche Intelligenz erreichen, indem sie die Struktur biologischer Gehirne und Nervensysteme nachbilden. Diese elektronischen Kopien der „Wetware“-Architektur sollen dann, so hoffen die „Bottom-Up“-Forscher, auch ähnlich effektiv und „intelligent“ funktionieren, wie ihre biologischen Vorbilder.
Noch steht diese Forschungsrichtung allerdings erst ganz am Anfang. Immerhin gibt es aber bereits erste kleine Erfolgserlebnisse: Dem KI-Forscher Theodore Berger und seinen Kollegen von der Universität von Südkalifornien ist es beispielsweise gelungen, integrierte Schaltkreise zu bauen, die die Struktur und Verhaltensweise eines Neuronenclusters genau nachbilden. Carver Mead vom California Institute of Technology entwickelte eine Reihe von Schaltungen, die die digital-analogen Verschaltungen von Säugetierneuronen simulierten.
Nur langsame Fortschritte
Angesichts dieser eher bescheidenen Fortschritte scheint künstliche Intelligenz bei diesem Ansatz jedoch noch weit entfernt – oder doch nicht? Glaubt man dem Computerexperten Ray Kurzweil, könnte der Mensch in rund 30 Jahren sogar im Stande sein, komplette und detaillierte Karten der wichtigsten Strukturen des menschlichen Gehirns zu erstellen und diese in fortgeschrittenen neuralen Computern funktionsfähig nachzubilden.
Auch Hans Moravec bescheinigt diesem Ansatz durchaus gute Chancen, schränkt diese aber auch gleich wieder ein: „In den nächsten Jahrzehnten könnte es gelingen, komplette tierische Nervensysteme mitsamt ihrer hormonellen Signale und Verknüpfungen zu simulieren, weil die Abbildungstechniken und auch die Hardwarevoraussetzungen immer besser werden. Solche Simulationen bringen sicher unser neurobiologisches Verständnis schneller voran, ich glaube aber nicht, dass die Fortschritte schnell genug sein werden, um auf diesem Wege in absehbarer Zeit künstliche Intelligenz zu erzeugen.“
Als hemmend erweist sich bei diesem Ansatz vor allem die große Komplexität der zu kopierenden Systeme. Allein die genaue Analyse des biologischen Vorbilds, sei es nun Wurm, Maus oder gar Mensch, verschlingt bereits enorm viel Zeit und Ressourcen und könnte sich am Ende sogar als zu große Herausforderung erweisen.
Dieses Problem sieht auch der KI-Forscher Valentino Braitenberge, der Nervensysteme von kleineren Tieren analysiert und bereits einige künstliche Nervensysteme entwickelt hat. Seiner Erfahrung nach ist es normalerweise einfacher, einen Schaltkreis mit bestimmten Eigenschaften zu konstruieren, als herauszufinden, wie es ein bestehendes System schafft, diese Eigenschaften zu produzieren. Er bezeichnet dieses Phänomen als „Downhill-Synthesis and Uphill-Analysis“.
Welcher dieser Ansätze wird zuerst Erfolg haben, als erstes eine denkende Maschine erschaffen? Nach Meinung von Hans Moravec hätte jede dieser Technologien eine Chance. Die größten Erfolgsaussichten räumt der Computerexperte aber einem weiteren, im weitesten Sinne biologischen Ansatz ein…
Nadja Podbregar
Stand: 20.05.2002