Bisher sind die meisten Erbkrankheiten nicht heilbar. Mediziner können allenfalls ihre Symptome mildern oder die wegen eines Gendefekts fehlenden Funktionen medikamentös ersetzen. Für die Betroffenen bedeutet dies, dass sie meist lebenslang behandelt werden müssen. Wenn sie Glück haben, reicht die Einnahme bestimmter Tabletten, in vielen Fällen sind aber auch invasivere Therapien wie Infusionen oder eine Blutwäsche nötig.
Neue Möglichkeiten dank CRISPR/Cas9
Um solche genetisch bedingten Krankheiten zu heilen, müsste man ihrer Wurzeln ansetzen: den defekten Genen oder Genabschnitten. In den letzten Jahren hat in diesem Zusammenhang vor allem eine Erfindung große Hoffnungen geweckt: die Genschere CRISPR/Cas9. Denn dieses molekularbiologische Werkzeug erlaubt es, zielgenau ererbte Gendefekte oder Mutationen in menschlichen Zellen zu reparieren – und sie macht Eingriffe in das menschliche Erbgut so einfach wie nie zuvor.
Die Genschere CRISPR/Cas9 trägt eine RNA-Kopie der DNA-Sequenz in sich, an die sie binden soll. Hat sie an der passenden Stelle des Erbgut angedockt, kommt das Enzym Ca9 zum Einsatz -die eigentliche Genschere. Sie schneidet das Genom an der vordefinierten Stelle und entfernt so die defekte Gensequenz. Je nach Verfahren wird dann die korrekte Sequenz mitgeliefert und eingefügt oder man überlässt es dem zelleigenen Reparaturverfahren, die fehlenden DNA-Basen in der korrekten Reihenfolge zu ergänzen.
Mithilfe dieses Verfahrens haben Forschungsteams inzwischen nicht nur im Tierversuch und an Zellkulturen einige Gendefekte repariert, darunter die Duchenne-Muskeldystrophie, die Sichelzellen-Anämie und einen angeborenen Hörverlust. Auch den tödlichen Gendefekt der Erbkrankheit Chorea Huntington haben Wissenschaftler an menschlichen Stammzellen bereits korrigiert. Diese Ansätze wecken die Hoffnung, solche bislang unheilbaren Erbkrankheiten bald auch bei Patienten heilen zu können.
Veränderung an der Keimbahn
Doch es gibt einen Haken: Wenn eine solche Gentherapie bei Patienten eingesetzt wird, repariert sie nur die Körperzellen der Betroffenen – und auch das nicht immer vollständig. Die Veranlagung für diese Erbkrankheit können die Patienten aber weiterhin an ihre Nachkommen weitergeben. Denn ihre Keimzellen – Spermien und Eizellen – bleiben durch eine solche somatische Gentherapie unverändert, sie tragen noch immer die defekten Gene in sich.
An diesem Punkt kommen Keimbahn-Eingriffe ins Spiel. Als solche bezeichnen Biomediziner all die Veränderungen im Erbgut, die auch die Keimzellen umfassen. Wird beispielsweise das Erbgut der Eizellen, Spermienvorläuferzellen oder auch des frisch befruchteten Embryos editiert, geben diese die Genreparaturen an alle aus ihnen neu entstehenden Zellen weiter. Im Falle des editierten Embryos sind dies alle seine Körper- und Keimzellen, bei Spermien und Eizellen betrifft dies alle mit ihnen gezeugten Nachkommen.
Das macht Eingriffe in die Keimbahn extrem riskant und ethisch umstritten. Einerseits bieten sie die Chance, Erbkrankheiten sozusagen an der Wurzel zu beseitigen – und auch kommende Generation vor ihnen zu bewahren. Andererseits aber werden die einmal gemachten Veränderungen an alle folgenden Genrationen weitergebenen, sie verändert damit dauerhaft das Erbgut unserer Spezies. „Wir arbeiten hier am Betriebssystem eines menschlichen Wesens“ kommentierte der Molekularmediziner Eric Zopol vom Scripps Research Institute in Kalifornien vor einigen Jahren diese Manipulationen.