Die Erdoberfläche unterliegt konstantem Wandel. Oftmals sind diese Veränderungen schnell und auch für das menschliche Auge wahrnehmbar, wie beispielsweise beim Rückzug von Gletschern in Hochgebirgen oder bei Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüchen oder Bergstürzen.
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Schleichende Prozesse
Doch die Veränderungen der Erdoberfläche vollziehen sich nicht immer so rasch: Es dauert Jahrmillionen, bis sich Hochgebirge wie der Himalaya auftürmen. Ihre Bildung wird angetrieben von tektonischen Bewegungen, die mit Geschwindigkeiten von nur wenigen Millimetern pro Jahr vom Menschen kaum wahrgenommen werden können.
Im Laufe der Zeit trägt die natürliche Erosion dieser Gebirge durch Wind, Wasser und Eis das Gestein wieder ab. In flachen Gebieten, wie beispielsweise in Flussauen, sammelt sich dieses Sediment und wird bei geeigneten Bedingungen in einem langsamen Prozess zu Boden. Weil auch die Erosionsprozesse mit Mikrometern bis Millimetern pro Jahr sehr langsam sind, ist ihre methodische Erfassung nicht einfach. Erschwerend kommt hinzu, dass zahlreiche Prozesse der Erdoberfläche durch den Eingriff des Menschen auf die Erdoberfläche durch Landnutzung verändert wurden.
Wie lässt sich herausfinden, wie schnell sich ein Gebirge durch tektonische Kräfte auffaltet und wie schnell es wieder abgetragen wird? Sind Erosionsraten konstant oder verändern sie sich mit der Zeit? Wie schnell bildet sich Boden? Und wie alt ist der Boden, auf dem wir gerade stehen?
Kosmische Strahlung verändert Atome
Hilfe zur Klärung dieser Fragen bieten winzige Teilchen aus dem Kosmos. Die kosmische Strahlung besteht aus hochenergetischen Teilchen, die ständig auf Moleküle in unserer Atmosphäre und der obersten Schicht der Erde treffen und dort eine Kaskade von Sekundärstrahlung erzeugen. Durch diese Strahlung entstehen sogenannte kosmogene Nuklide – extrem seltene Varianten bestimmter Elemente, Isotope genannt.
Ein Teil dieser kosmogenen Nuklide wird in den mineralischen Bestandteilen von Gesteinen, Sediment oder Boden gebildet. Jedoch sind die Produktionsraten durch Sekundärstrahlung sehr gering. In einem Gramm Gestein, welches 10.000 Jahre der kosmischen Strahlung ausgesetzt ist, lassen sich nur etwa 100.000 Beryllium-10-Atome finden. Um diese wenigen Atome aus dem Mineral abzutrennen, werden daher hochreine Laboratorien und für die Messung radioaktiver Isotope sehr große und teure Geräte benötigt, sogenannte Beschleunigermassenspektrometer (AMS – Accelerator Mass Spectrometer).
Helium, Neon und Beryllium
Ein Beispiel für ein kosmogenes Nuklid ist das radioaktive Beryllium-10 (10Be) im Mineral Quarz. In vulkanischen Landschaften ist Quarz jedoch oft nicht vorhanden. Dafür gibt es in den dort vorkommenden Mineralen Olivin und Pyroxen die Edelgas-Isotope Helium-3 (3He) und Neon-21 (21Ne). Sie zerfallen nicht, sondern sind stabil. Auch diese Nuklide entstehen in den Gesteinen durch die Einwirkung der kosmischen Strahlung.
Weil sie nicht zerfallen, können sie zur Datierung sehr alter Oberflächenformen oder zur Erfassung langsamer Prozesse verwendet werden. Mit 3He können aufgrund seiner hohen Produktionsrate aber auch sehr junge Oberflächenformen von wenigen tausend Jahren verlässlich datiert werden.
Hella Wittmann, Samuel Niedermann, Dirk Scherler/ CC-by-sa 4.0; Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ/ System Erde
Stand: 15.12.2017