Wegen des enormen Energieaufwands in der Herstellung lohnt es sich nach Angaben von Experten kaum, die synthetischen Kraftstoffe in Deutschland oder in Gebieten ähnlicher Wetterbedingungen zu produzieren. Hierzulande ist der Platz für Wind- und Solaranlagen zu knapp und die Sonneneinstrahlung auch noch vergleichsweise gering.
Erster globaler Power-to-X-Atlas
2021 erstellten Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE den ersten globalen Power-to-X-Atlas.
Er zeigt auf, wo auf der Welt besonders günstige Bedingungen für die Produktion von grünem Wasserstoff und E-Fuels existieren. Demnach ließen sich außerhalb Europas langfristig mindestens etwa 69.100 Terawattstunden grüner Wasserstoff beziehungsweise 57.000 Terawattstunden synthetische Kraft- und Brennstoffe (Power-to-Liquid) herstellen.
Rechnet man die zur Verfügung stehenden Mengen auf den Anteil Deutschlands an der Weltbevölkerung herunter, stünden für unser Land 770 Terawattstunden Wasserstoff beziehungsweise 640 Terawattstunden E-Fuels zur Verfügung. „Das genügt, um den verbleibenden Brenn- und Kraftstoffbedarf zu decken – vorausgesetzt, Energieeffizienz und direkte Stromnutzung haben jederzeit absoluten Vorrang“, sagt Norman Gerhardt vom IEE.
Allerdings müssen die anderswo produzierten E-Fuels oder der Wasserstoff erst noch zu uns gelangen und das bedeutet einen erheblichen Aufwand für den Transport. Weil E-Fuels jedoch kompakter und energiedichter sind als Wasserstoff, könnte sich für sie der Transport auch über weite Strecken lohnen, sofern die Produktion der synthetischen Kraftstoffe im Ausland entsprechend günstig ist. Einer Studie von 2023 zufolge bieten beispielsweise Brasilien, Kolumbien und Australien besonders gute Bedingungen für den Import von E-Fuels nach Deutschland.
Klimaschutz oder kolonialistische Ausbeutung?
Auch sonnenreiche Gebiete in der Nähe des europäischen Kontinents wären aus den oben genannten Gründen ideale Standorte für die E-Fuel-Produktion. Diese Kriterien erfüllen beispielsweise Nordafrika und der Nahen Osten, die sogenannten MENA-Länder: „Nahezu alle MENA-Länder weisen bedeutende Potenziale auf, um synthetische Kraftstoffe zu geringen Gestehungskosten herzustellen“, erklären Forschende des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt.
Doch auch wenn es naheliegend erscheint, zahlreiche Power-to-Liquid-Anlagen in Entwicklungsländern wie den MENA-Staaten zu errichten und die E-Fuels nach Deutschland zu importieren, hat diese Vorgehensweise doch einen Haken: „Große Investitionsprojekte im globalen Süden, um grünen Wasserstoff und andere chemische Grundstoffe für den globalen Norden zu liefern, erinnern an ausbeuterische Wirtschaftsbeziehungen und -praktiken aus der Kolonialzeit und dem Ölzeitalter“, heißt es in einer Studie des Forschungsunternehmens Arepo.
Denn viele Entwicklungsländer benötigen die Anlagen zur Strom- und Kraftstoffgewinnung aus Sonne und Wind eigentlich dringender, um zunächst ihre eigene Wirtschaft zu dekarbonisieren. Schafft man Anreize zum Export von Wasserstoff, E-Fuels und Co., kommt dies zwar uns zugute, aber wahrscheinlich nicht der Bevölkerung vor Ort, wie viele Erfahrungen aus der globalisierten Wirtschaft lehren. Dem könne man nur durch sorgfältige Planung und Reflexion der Zusammenarbeit beikommen, sagen die Arepo-Autoren. Ob dies passiert und die E-Fuel-Produktion so den Kriterien der sozialen Nachhaltigkeit standhält, bleibt abzuwarten.