Träge über den Meeresgrund driftend oder ganz festgewachsen – die meisten Bewohner des Ediacarium-Ozeans waren vermutlich nicht sonderlich aktiv. Doch es gibt Hinweise darauf, dass einige dieser bizarren Tiere durchaus schon aktiv kriechen oder schwimmen konnten.
Verräterische Spuren
Ein Beispiel dafür ist das Urtier Dickinsonia, dessen Fossilien macnhmal von spurenähnlichen Abdrücken begleitet werden – möglicherweise Indizien für eine gerichtete Bewegung. „Zahlreiche Fossilien innerhalb derselben Gemeinschaft zeigten eine zufällige Bewegung, die nicht von bloßen Wasserströmungen verursacht worden sein kann“, erklärt Scott Evans von der University of California in Riverside. Denn wären diese Tiere nur passiv mit der Strömung mitgetragen worden, müssten alle Spuren in die gleiche Richtung zeigen. Das aber war nicht der Fall, wie der Paläontologe und sein Team feststellten.
Zudem schienen sich diese Wesen vorzugsweise mit ihrem Vorderende voraus bewegt zu haben – auch darin sehen die Forscher ein Indiz für eine gerichtete, absichtliche Fortbewegung. Wie Dickinsonia diese Fortbewegung allerdings bewerkstelligte, ist bislang unklar. Evans und seine Kollegen vermuten, dass dieses Tier wie ein Regenwurm durch wechselnde Kontraktion und Entspannung seiner Muskeln vorwärtskroch.
Muskelfasern und Stummelbeine
Tatsächlich gibt es Indizien dafür, dass zumindest einige Vertreter der Ediacara-Fauna bereits Muskeln besaßen. So zeigen die Fossilien von Haootia quadriformis – einem sessilen, tentakeltragenden Lebewesen – auffallende Faserstrukturen, die Paläontologen als Muskelfasern interpretieren.
Einige Tiere des Ediacariums könnten sogar schon beinähnliche Fortsätze besessen haben. Darauf deuten Abdrücke hin, die Paläontologen in den USA und kürzlich auch in China entdeckt haben. Diese Spuren bestehen jeweils aus zwei Reihen von rundlichen Dellen. Die Forscher vermuten, dass diese Abdrücke von bilateralsymmetrischen Tieren mit einfachen, paarigen Beinen stammen könnten – möglicherweise einer noch unbekannten Vorform erster Borstenwürmer oder Krebse.
Der Nachwuchs schwamm davon
Auch in puncto Fortpflanzung waren zumindest einige Ediacara-Organismen schon relativ fortschrittlich. So konnte sich die Rangeomorpha-Gattung Fractofusus durch Knospung vermehren, besaß aber auch schwimmfähige Keimstadien, wie Fossilfunde nahelegen. Durch diese rundlichen „Samen“ konnte der normalerweise festsitzende Organismus vermutlich auch entfernte Gebiete kolonisieren.
„Die Fähigkeit dieser Organismen, zwischen zwei verschiedenen Methoden der Reproduktion umzuschalten zeigt, wie raffiniert ihre Biologie schon war“, sagt Emily Mitchel von der University of Cambridge. „Und das zu einer Zeit, als die meisten anderen Lebensformen noch unglaublich simpel waren.“ Allerdings: Abgesehen von dieser Ausnahme ist über die Fortpflanzung der Ediacara-Fauna bislang so gut wie nichts bekannt – und selbst bei Fractofusus ist reichlich Interpretation mit im Spiel.