Technik

Kryometer

Temperaturmessung im Millikelvin-Bereich

Kinetisch betrachtet äußert sich die Temperatur eines Stoffes in der Bewegungsenergie seiner Atome. Das kann zum einen eine konkrete Bewegung durch den Raum sein, ein Teil der Energie ist in den Atomen oder Molekülen aber auch in rotierender oder vibrierender Form gespeichert. Wenn die Temperatur eines Stoffes nah an den absoluten Nullpunkt gebracht wird, kommen diese Bewegungen langsam zum Erliegen. Um dann noch festzustellen, wie kalt genau die Atome sind, braucht es spezielle Thermometer.

Fieberthermometer für kleinste Temperaturen

Einige Kryometer, also besonders tief messende Thermometer, unterscheiden sich in ihrem Grundaufbau nicht stark von herkömmlichen Modellen. Sie erhalten ihre besonderen Eigenschaften stattdessen durch die verwendeten Materialien. So gibt es auch in der Tieftemperaturphysik Thermometer, die mit Thermistoren, also temperaturabhängigen Widerständen arbeiten und dadurch sehr ähnlich wie handelsübliche digitale Fieberthermometer funktionieren.

Supraleiter
Supraleiter brauchen besonders tiefe Temperaturen. Um diese zu messen, werden spezielle Kryometer benötigt. © ktsimage / Getty images

Das Anwendungsgebiet der Kryometer ist allerdings etwas komplexer: Sie werden eingesetzt, um bei ultrakalten Experimenten, wie Untersuchungen zu Supraleitern oder der Quantenmechanik, einen Überblick über die Temperatur zu behalten. Während bei Fieberthermometern meist Platin-Thermistoren zum Einsatz kommen, sind in den Kryometern unter anderem Messwiderstände aus Kohlenstoff oder Germanium verbaut. Mithilfe dieser können Temperaturen bis fast zehn Millikelvin über dem absoluten Nullpunkt gemessen werden, also bis etwa minus 273,16 Grad Celsius.

Dampfdruck von Helium-Isotopen

Unter den Kryometern sind auch Dampfdruckthermometer sehr verbreitet. Sie können zwar nicht ganz so tiefe Temperaturen messen wie solche, die mit Thermistoren arbeiten, benötigen aber beispielsweise keine externe Energiequelle. Deshalb können sie auch in isolierten oder magnetisierten Systemen eingesetzt werden.

Um Temperaturen in der Nähe des absoluten Nullpunkts messen zu können, wird die Messkammer des Dampfdruckthermometers mit verflüssigtem Helium-3 befüllt. Dieses Helium-Isotop besitzt in seinem Kern ein Neutron weniger als herkömmliches Helium und kommt kaum natürlich auf der Erde vor. Da es erst bei sehr niedrigen Temperaturen flüssig wird, können über den Sättigungsdampfdruck von Helium-3, also den Druck, der sich im thermodynamischen Gleichgewicht zwischen flüssigem und gasförmigem Aggregatszustand einstellt, Temperaturen um ein Kelvin gemessen werden.

Quantenspin als Orientierungspunkt

Mithilfe von quantenmechanischen Thermometern verschiebt sich die Grenze der messbaren Temperaturen noch weiter nach unten. Sogenannte Kernorientierungsthermometer messen die Spin-Verteilung von Quanten, die beim radioaktiven Betazerfall entstehen. Das funktioniert, weil je nach Temperatur bestimmte Spins häufiger vorkommen als andere.

Cobalt-60
Cobalt-60 ist ein radioaktives Cobalt-Isotop, das zur Temperaturmessung genutzt wird. © V1adis1av /CC-by-sa 4.0 / DMKTirpitz /CC-by-sa 3.0

Zurzeit nutzen solche Thermometer hauptsächlich radioaktive Kobalt- oder Mangan-Isotope, mit denen Temperaturen bis etwa 1,5 Millikelvin gemessen werden können. Neben der generellen Gefahr durch die Gammastrahlung bringt allerdings auch die Eigenerwärmung des Thermometers, die durch den Zerfall hervorgerufen wird, Schwierigkeiten in der Anwendung mit sich.

Platin-Pulse und Paramagnetismus

Kernorientierungsthermometer gelten als sogenannte primäre Thermometer, da sie keine externe Kalibrierung benötigen, sondern auf naturgegebenen Fixpunkten basieren. Deshalb können sie genutzt werden, um andere, sekundäre Thermometer zu kalibrieren, die einerseits weniger problematisch in der Anwendung sind und andererseits noch tiefere Temperaturen messen können.

Eines dieser sekundären Kryometer ist das Platin-Magnetresonanz-Thermometer, das sich die paramagnetischen Eigenschaften von Platin zu Nutze macht. Es kommt vor allem in Versuchsanordnungen vor, die quantenmechanische Vorgänge bei tiefsten Temperaturen und mithilfe von Magnetfeldern untersuchen. Das Gerät besitzt zwei Platin-Spulen, wobei eine als Sende- und die andere als Empfängerspule dient.

Zur Temperaturbestimmung sendet erstere elektromagnetische Pulse, die mit der tiefgekühlten Probe interagieren. Über das Signal, das nach der Interferenz bei der Empfängerspule ankommt, kann letztlich die Temperatur der Probe bestimmt werden. Auf diese Weise können Temperaturen unter einem Millikelvin, bis in den Pikokelvin-Bereich gemessen werden.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Kunst der Temperaturmessung
Zwischen absolutem Nullpunkt und tausenden Grad Celsius

Fahrenheit, Celsius, Boltzmann
Von den Anfängen der Thermometer bis zur heutigen Definition der Temperatur

Zwischen Quecksilber und Dampfdruck
Berührungsthermometer als Standardmodell

Auf Abstand
Pyrometer messen auch ohne Kontakt zum Objekt

Kryometer
Temperaturmessung im Millikelvin-Bereich

Nützlich oder nur Deko?
Spezialthermometer mit eingeschränktem Anwendungsgebiet

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