Doch die Spezielle Relativitätstheorie widersteht seit nunmehr 99 Jahren allen Angriffen. Dass man weiterhin nach einer Lücke forscht, hat gute Gründe. Theoretische Physiker suchen schon lange nach einer Theorie, welche die Schwerkraft (Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie) mit den atomaren Kräften (Quantentheorie) in einer Urkraft zusammenfasst.
Das Bemühen blieb bisher erfolglos; es gibt jedoch Ansätze zu einer solchen „Großen Vereinheitlichung“. Einige von ihnen sagen voraus, dass die Spezielle Relativitätstheorie nicht genau stimmt. „Zwar gibt es keine quantitativen Voraussagen, in welchem Größenbereich wir auf eine Abweichung stoßen sollten“, kommentiert Saathoff den Stand der Dinge, „aber schon der kleinste Hinweis würde die Theorie enorm beflügeln.“
Am Heidelberger Max-Planck-Institut laufen die Tests der Speziellen Relativitätstheorie schon seit Ende der 1980er-Jahre, als man dort den Testspeicherring aufgebaut hatte. Die Idee dazu kam von Gerhard Huber, Professor am Institut für Physik der Universität Mainz, von dessen Gruppe nach wie vor ein Physiker an dem Experiment mitarbeitet.
Lithium-Ionen auf der „Rennbahn“
Der Testspeicherring gleicht einer „Rennbahn“ mit 55 Meter Umfang, auf der Magneten geladene Teilchen in der Spur halten – in Saathoffs Experiment positiv geladene Lithium-Ionen, die in einem Nachbargebäude erzeugt werden. Dort werden sie in den starken elektrischen Feldern eines so genannten Tandem-Beschleunigers auf ihre Endgeschwindigkeit von 19 000 Kilometer pro Sekunde gebracht, bevor sie in den Speichering gelangen. Sobald einige Millionen Teilchen den Ring bevölkern, wird dieser für weitere Ionen gesperrt; denn bevor das Experiment beginnt, müssen die Forscher den umlaufenden Ionenstrahl optimieren – hierin liegt der Erfolg des Experiments.
Heißer Strahl
Zunächst einmal haben die Lithium- Ionen noch sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten, die Physiker sprechen von einem „heißen“ Strahl. Den kühlen die Forscher ab, indem sie die Ionen auf einer Teilstrecke des Rings durch „kalte“ Elektronen hindurchfliegen lassen. Kalt bedeutet, dass die Geschwindigkeiten der Elektronen von der Sollgeschwindigkeit im Mittel nur sehr wenig abweichen.
Läuft der Lithium-Strahl durch das Elektronenbad hindurch, so stoßen die Teilchen zusammen und beeinflussen sich durch ihre elektrischen Kräfte. In der Folge werden zu schnelle Ionen abgebremst und zu langsame beschleunigt. Rund 345 000 Mal pro Sekunde schießt der Lithium- Strahl durch den Elektronensee hindurch, und nach etwa fünf Sekunden sind die Geschwindigkeitsunterschiede so weit ausgeglichen, dass die Messung beginnen kann.
Stand: 21.05.2004