Im Gegensatz zur Edomsharde, dem Gebiet, in dem Rungholt gelegen haben soll, gab es für Rungholt lange Zeit keinerlei Dokumente, Siegel oder zeitgenössische Erwähnungen. Zwischenzeitlich wurde daher die Existenz dieses Ortes ganz in Frage gestellt und die Geschichte komplett in das Reich der Legende verwiesen.
Doch dann entdeckten Forscher auf der Rückseite eines Hamburger Testaments aus dem Jahr 1345 eine Eintragung, in der „Edomsharde, Kirchspiel Rungholt, Richter, Ratsleute, Geschworene, Thedo Bonisson samt Erben“ als Adressat genannt wird. Bis heute ist dies das einzige bekannte Dokument aus der Zeit vor dem Untergang der Stadt. Offensichtlich muss es Rungholt demnach tatsächlich gegeben haben, als eigenes Kirchspiel, also als Ort mit einer Kirche in der Edomsharde liegend.
Scherben, Münzen und Salz
Aber welche Bedeutung hatte dieses Kirchspiel? Genau das ist bis heute umstritten. War Rungholt wirklich eine Hafenstadt von übergeordnetem Rang, wie einige Forscher meinen, oder handelte es sich doch nur um eine kleine, unbedeutende Marschsiedlung?
In den Karten und historischen Aufzeichnungen finden sich kaum Hinweise auf eine herausgehobene Stellung Rungholts. Auf den ersten Blick scheint der Ort seine Berühmtheit primär seinem Untergang zu verdanken, weniger seiner wirtschaftlichen oder kulturellen Bedeutung.
Das allerdings sieht Hans-Peter Hennigsen, Autor zweier Bücher über Rungholt, etwas anders. Seiner Ansicht nach war Rungholt eine wichtige Hafenstadt für die Bewohner der nordfriesischen Marschlande. Denn die sumpfigen Marschen waren, über den Landweg nur schwer zu erreichen und daher auf den Wasserweg angewiesen. An einem Wattenstrom, dem Hever, gelegen, könnte der Ort bei Hochwasser gut vom Meer aus ansteuerbar gewesen sein, bot aber bei Niedrigwasser gute Bedingungen für das Be- und Entladen der Schiffe, da der Hafen dann trocken fiel.
Handelbeziehungen bis zum Mittelmeer?
Der Ethnologe und Kulturhistoriker Hans Peter Duerr, der sich seit gut einem Jahrzehnt mit Rungholt beschäftigt, glaubt hier sogar den Schlüssel für überregionale Handelbeziehungen der Stadt zu erkennen. Belege sieht er in einigen von ihm im Watt entdeckten Keramikfunden, die aus Kreta und anderen Gebieten im Mittelmeerraum stammen sollen. Auch mittelalterliche Silbermünzen und Reste exotischer Gewürze will der Forscher aufgespürt haben. Während der Handelssaison, so die These Duerrs, könnte Rungholt sogar bis zu 4.000 Einwohner gehabt haben.
Dieser Ansicht stehen allerdings die meisten anderen Rungholt-Forscher eher skeptisch gegenüber. Zwar halten sie Rungholt auch für einen Handelshafen, da er verkehrsgünstig an der Alten Hever, einem Wattenstrom, lag. Das durch den Torfabbau in dieser Region gewonnene Salz könnte so auf dem Seeweg verschifft worden sein. Für großen Reichtum oder gar Beziehungen zum Mittelmeerraum sehen sie jedoch keine Belege.
Stand: 25.04.2008