Dezember 2004: Die ersten Berechnungen der Flugbahn von 2004 MN4 lösen hektische Aktivität im Minor Planet Center und bei Astronomen weltweit aus. Denn sie zeigen eine „Ellipse der Trefferwahrscheinlichkeit“, die die Erde einschließt. Am Freitag, den 13. April 2029, so die Kalkulationen, könnte eine der vielen innerhalb der Fehlergrenzen liegenden Flugbahnmöglichkeiten des Asteroiden die Erdbahn kreuzen und dabei die Erde treffen. Noch allerdings sind die Daten zu dünn, die Beobachtungen zu ungenau, um die Fehlerspanne weiter einzuengen. Die mögliche Flugbahn gleicht eher einem dicken, sich verbreiternden Schlauch als einer Linie.
Das Risiko steigt
Jetzt gilt es, Gewissheit zu schaffen. Überall auf der Erde richten sich Teleskope von Observatorien, aber auch von Amateurastrononen auf die Himmelsregion, in der der Asteroid seine Bahn zieht. Immer mehr Informationen werden in die Datenbanken und automatischen Berechnungssysteme des italienischen NEODyS und des SENTRY-Programms der NASA eingespielt. Normalerweise sorgt diese Datenflut schon nach wenigen Stunden dafür, dass Entwarnung gegeben werden kann. Denn mit steigender Genauigkeit der Berechnungen sinkt die Fehlerspanne. Die Ellipse der Trefferwahrscheinlichkeit verkleinert sich allmählich. Und in den meisten Fällen landet dabei die Erde irgendwann außerhalb des Risikogebiets.
Anders bei 2004 MN4. Immer genauer werden die Berechnungen und noch immer liegt die Erde mitten im potenziellen Zielgebiet. Der immer dünner werdende „Schlauch“ der Asteroiden-Flugbahn will einfach nicht zur Seite abwandern, er bleibt beharrlich auf Erdkurs. Als Folge steigt auch die Einschlagswahrscheinlichkeit an. Am 24. Dezember 2004 liegt sie schon bei 1:300, in den folgenden Tagen steigt sie dann sogar immer weiter. Am 27. Dezember schließlich erreicht sie 1:37 – ein bisher nie dagewesener Wert.
Rekordwert in Torino-Skala
Inzwischen gibt es auch erste Angaben über die Größe des Objekts: rund 300 Meter misst 2004 MN4. Würde er die Erde treffen, wäre ein Gebiet der Größe von Texas verwüstet. Eine Energie von 880 Megatonnen TNT, so errechnen NASA-Forscher, könnte dieser Impakt freisetzen. Eine Megatonne TNT entspricht der Sprengkraft von 77 Hiroshimabomben.
Auf der Torino-Skala, einer Art „Richterskala“ für die Einschlagswahrscheinlichkeit und die potenziellen Folgen eines Impakts, klettert 2004 MN4 als erstes Objekt überhaupt auf die Stufe vier. Sie gilt für Objekte, die Trefferwahrscheinlichkeiten von mehr als einem Prozent aufweisen und beim Impakt regional schwere Verwüstungen anrichten würden. Die Nachricht vom „Asteroiden, der Freitag, den 13. die Erde treffen wird“ ist zu diesem Zeitpunkt längst um die Welt gegangen.
Zielgebiet Mitteleuropa?
Clark Chapman, einer der bekanntesten Meteoritenforscher der NASA, erklärt gegenüber der Presse: „Ich habe nicht erwartet, während meiner Lebenszeit eine solche hohe Einschlagswahrscheinlichkeit eines so großen Objekts zu erleben. Auch wenn es immer noch in 39 von 40 Möglichkeiten keinen Impakt geben wird.“
Sogar ein mutmaßliches Zielgebiet für Apophis hat ein NEO-Forscher bereits errechnet: Der Asteroid würde, so seine Kalkulation, irgendwo auf einer Linie von Mitteleuropa, über den Nahen Osten, das Ganges-Gebiet in Indien und die Philippinen niedergehen – damit liegen einige der am dichtesten besiedelten Gebiete unseres Planeten im potenziellen Katastrophengebiet.
Nadja Podbregar
Stand: 29.01.2010