Anzeige
Erneuerbare Energien

Lärm, tote Vögel und gekippte Ökosysteme

Die Hürden beim Windkraftausbau

Dem Windkraftausbau stehen viele Hindernisse im Weg. Obwohl theoretisch 14 Prozent der gesamten deutschen Landesfläche für die Produktion von Windkraft zur Verfügung stehen, können viele der Gebiete schlussendlich doch nicht genutzt werden. Die Hürden sind vielseitig: Flugraumsicherung für Flugzeuge, militärischer Luftraumnutzung und Abstandsregeln zu Siedlungen machen den Windkraftausbau auf vielen Gebieten unmöglich. Gemeinden haben Angst vor schlechteren Wohnbedingungen und Tierschutz- und Umweltverbände befürchten zudem, dass Windräder ansässige Tierarten gefährden könnten. Auch aus diesen Gründen protestieren Bürger häufig gegen bereits geplante Windkraftprojekte.  

Umweltschützer sorgen sich um Windräder in der Natur. Doch sind die weißen Riesen wirklich so tödlich? © Gary Kavanagh/ iStock.com

Geringe Geräuschbelastung durch Windräder

Eine häufige Klage gegen Windräder ist, dass sie laut sind und der Lärmpegel somit besonders in der Nähe von Siedlungen stört. Tatsächlich machen Windräder Lärm. Bei starkem Wind entstehen an der Nabe in 100 Meter Höhe bis zu 105 Dezibel – das entspricht etwa der Lautstärke eines startenden Flugzeuges. Die Geräusche entstehen zum einen wegen turbulenter Luftströmungen am Rotorblatt, zum anderen wegen mechanischer Geräusche, etwa durch das Getriebe der Anlage. Mit der Entfernung nimmt die Lärmbelastung allerdings rapide ab: In 500 Meter Entfernung verursachen Windräder nur noch 40 Dezibel – die Lautstärke eines leichten Regens oder eines rauschenden Waldes.  

Doch trotz der vergleichbar geringen Geräuschbelastung durch Windräder bestanden in Deutschland für lange Zeit Mindestabstandsregelungen zwischen Windparks und Wohngebieten. Diese sollten mindestens 1.000 Meter von Siedlungen entfernt stehen. Zugunsten des Windkraftausbaus werden diese Regelungen allerdings inzwischen mancherorts wieder gekippt – so beispielsweise Ende 2023 in Nordrhein-Westfalen, wo Windkraftanlagen seitdem nur noch wenige hundert Meter von Siedlungen entfernt sein müssen.  

Werden anwohnende Tierarten gestört? 

Eine weitere verbreitete Sorge ist, dass Windkraftanlagen der Umwelt schaden. Laut NABU könnte beispielsweise der Lärm, der beim Rammen der Fundamente der Offshore-Windkraftanlagen in den Meeresboden entsteht, Schweinswale und Fische aus wichtigen Lebensräumen vertreiben. Zudem zeigen Studien, dass das Plankton-Wachstum hinter Windparks im Meer um bis zu zehn Prozent reduziert ist. Ob dies ein Problem darstellt, ist allerdings noch unklar. „Es sind daher nun weitere Studien nötig, um die Auswirkungen auf marine Ökosysteme und Organismen in der Nordsee zu untersuchen“, konstatieren Nils Christiansen vom Helmholtz-Zentrum Hereon und sein Team.  

Viele Naturschutzorganisationen warnen außerdem vor den Gefahren von Windrädern für in größeren Höhen fliegende Vögel, denn jährlich fliegen um die hunderttausend Vögel gegen die sich drehenden Rotorblätter und sterben infolgedessen. Jedoch: „Die jährlichen Opferraten im Autoverkehr und an Glasfronten sind um einiges höher. So sterben im Straßenverkehr rund 70 Millionen Vögel jährlich, an Glasfronten bis zu 100 Millionen“, erklärt die Umweltorganisation Greenpeace auf ihrer Webseite.  

Anzeige
Fledermäuse kollidieren besonders häufig mit den Wind-Rotoren. © Christian Voigt/Leibniz-IZW

Das große Fledermaussterben 

Doch es gibt noch andere Tiere, denen die erneuerbaren Energieträger zu schaffen machen: Fledermäuse. In Deutschland stirbt jährlich bis zu einer Viertelmillion Fledermäuse durch Windkraftanlagen. Der Tod kommt entweder durch direkte Kollision mit den Rotorblättern oder durch ein sogenanntes Barotrauma, bei dem starke Luftdruckänderungen in der Nähe der Rotorblätter die inneren Organe der Tiere zerreißen. Fast ein Viertel der Todesopfer sind dabei migrierende Fledermäuse, die eigentlich sogar unter dem Schutz einer UN-Konvention stehen.  

Eine Theorie, warum sich die Fledermäuse in diese Gefahr begeben: Sie verwechseln Windräder schlicht mit Bäumen. Denn wenn sich die Rotorblätter kaum bewegen, ähneln sich die Luftstöße von Bäumen und Windrädern. Das Problem: „Fledermäuse bleiben oft Minuten bis sogar Stunden in der Nähe stehender Windräder – frischt dann der Wind plötzlich auf, geraten sie in Gefahr, von den sich nun drehenden Rotoren getroffen zu werden“, erklären Paul Cryan vom US Geological Survey in Fort Collins und seine Kollegen. Helfen könnte es daher beispielsweise, Windräder bei ohnehin geringen Windgeschwindigkeiten ganz abzuschalten. 

Effekt auf Nahrungsketten und Ökosysteme 

Dieses große Fledermaussterben kann sogar gesamten Ökosystemen schaden. Denn 20 Prozent der von den Fledermäusen vertilgten Insekten sind Schädlinge, welche Nutzpflanzen,Bäume oder Früchte anfressen oder Pflanzenkrankheiten übertragen können. „Eine Literatur-Auswertung bestätigt, dass Fledermäuse eine wichtige Rolle in der Kontrolle dieser Schadinsekten spielen und sogar lokale Ausbrüche unterdrücken können“, berichten Carolin Scholz und Christian Voigt vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung.  

Eine andere Studie zeigte zudem, dass auf einem 20 Jahre alten Windpark-Areal viermal weniger Vögel wohnten als auf dem vergleichbaren benachbarten Areal. Sie lernten offenbar, die gefährlichen Rotoren der Windräder großräumig zu meiden. Entsprechend lebten in diesem Gebiet wesentlich mehr der eigentlichen Beutetiere der Vögel, in diesem Fall die sogenannte Fächerkehlen-Echse. Laut Maria Thaker und ihrem Team vom Indischen Institut für Wissenschaft in Bangalore könnte sich so das Gleichgewicht der Nahrungsketten verschieben. „Windparks haben Auswirkungen, die bisher weit unterschätzt worden sind“, konstatieren sie. „Wir haben mehrere Belege dafür gefunden, dass es eine ganze Kaskade von trophischen Effekten dieser grünen Energie gibt.“  

Wenn die Natur beim Windkraftausbau geschont werden soll, bleiben nur 3,6 Prozent Bebauungsfläche in Deutschland übrig.© Bosch & Partner

Nur 3,6 Prozent der Fläche sind für Windräder geeignet 

All diese Probleme werden von den Planenden häufig nicht oder nur teilweise beachtet. Aus diesem Grund kommt es häufig zu Demonstrationen von Natur- und Umweltschützern während der Planungsphase von Windrädern. „Umwelt- und Landschaftsschutz werden in den frühen Planungsphasen nicht ausreichend in der Planung berücksichtigt, die kommen dann oft erst vor Gericht zum Tragen und genau das kostet dann Zeit“, erklärt Wolfgang Peters, Geschäftsleiter der Umweltberatung Bosch & Partner.  

Um zukünftige Umplanungen und Proteste zu vermeiden, hat das Bundesamt für Naturschutz eine Karte erstellt, die zeigt, wo in Deutschland Flächen mit niedrigem Konfliktpotenzial für den Bau von Windkraftanlagen existieren. Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei auf Gebiete in der Nähe von Bioreservaten und Naturschutzgebieten mit gefährdeten Arten gelegt. Das Ergebnis dieser Untersuchung zeigt, dass nur 3,6 Prozent der Fläche in Deutschland ein so niedriges Konfliktpotenzial aufweisen, dass der Bau von Windkraftanlagen dort vermutlich realisiert werden kann. 

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. weiter
Teilen:
Anzeige

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Kraft des Windes
Wie kann Windenergie genutzt werden?

Windkraft an allen Orten
Das massive globale Windkraftpotenzial

Das Windrad wird neu erfunden
Die Entstehung der Windkraft

Auftrieb wie beim Flugzeug
Wie funktioniert ein Windrad?

Offshore oder Onshore
Der perfekte Standort für Windräder

Lärm, tote Vögel und gekippte Ökosysteme
Die Hürden beim Windkraftausbau

Windkraft in Deutschland und der Welt
Wie steht es um den globalen Windkraftausbau?

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema