Nicht nur technologisch, auch kulturell leistete die Herrschaft über das Feuer einen entscheidenden Beitrag in der menschlichen Entwicklungsgeschichte. So gelten Lagerfeuer auch heute noch traditionell als Versammlungsort. Für die frühen Menschen war die Gemeinschaft um ein zentrales Feuer wahrscheinlich ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Entwicklung komplexer sozialer Strukturen.
Gemütliche Runde ums Lagerfeuer
Heutige wissenschaftliche Untersuchungen stützen diese Annahme: Einige Buschleute der Kalahari in Botswana und Namibia leben heute noch als Jäger und Sammler in kleinen Gemeinschaften. Das Feuer spielt bei ihnen eine buchstäblich zentrale Rolle: Abends versammeln sie sich meist in Gruppen von etwa 15 Leuten um ein Lagerfeuer zur gemütlichen Runde.
Den Inhalt der Gespräche im flackernden Feuerschein hat Polly Wiessner von der University of Utah aufgezeichnet und mit Gesprächen der Buschleute während ihres Arbeitsalltages verglichen. Dabei stellte die Forscherin einen großen Unterschied zwischen Tagesgeschehen und abendlicher Gesellschaft fest: Tagsüber drehten sich drei Viertel der Gespräche um Themen der Nahrungsbeschaffung und um andere ökonomische Aspekte des Lebens der Buschleute.
Feuerschein schafft Intimität
Ganz anders dagegen die Gespräche im abendlichen Feuerschein der Lagerfeuer: Sie entfernten sich von den Sorgen des Alltags. Die meiste Zeit wurden Geschichten erzählt, gesungen, getanzt und man sprach über weit entfernt lebende Gruppen von Buschleuten. Außerdem waren gesellschaftliche Normen und Bräuche häufige Themen. „Die Atmosphäre eines Feuers in der Dunkelheit verbindet, besänftigt und stimuliert Menschen“, sagt Wiessner. „Der Feuerschein schafft offenbar Intimität.“ Das ist auch heute noch so: Kaminfeuer und Kerzenlicht gelten als Inbegriffe für romantisches Beisammensein.
Wie auch bei den Buschleuten erlaubte demnach der nächtliche Feuerschein den frühen Jäger- und Sammlergesellschaften, entspannte Sozialkontakte zu pflegen, ohne dass dies zu Lasten des Nahrungserwerbs ging. Das könnte eine der Voraussetzungen für kulturelle und soziale Entwicklungen sein.
Ansgar Kretschmer
Stand: 23.01.2015