Das Jahr 1975 lieferte einen der ersten Höhepunkte der ernsthaften Erforschung von Raumkolonien. Angeregt durch die Überlegungen Gerard O'Neills veranstaltete die NASA in Zusammenarbeit mit der amerikanischen Stanford University einen zehnwöchigen Sommerworkshop für "Engineering Systems Design". Ziel des interdisziplinären Symposiums war es, eine möglichst überzeugende und realisierbare Lösung für die Besiedlung des Weltalls zu entwickeln.
Die kleine Gruppe von Professoren und Studenten aus Physik, Technik, Sozialwissenschaften und Architektur hatte dabei die Vorgabe, sich bei ihrem Konzept an bereits vorhandenen oder in der Entwicklung befindlichen Technologien zu orientieren. Außerdem sollten die Raumstationen so ausgelegt sein, dass sie mindestens 10.000 Menschen dauerhaft Platz und Lebensmöglichkeiten bieten könnten.
Nach zehn Wochen des Rechnens, Diskutierens und Entwerfens präsentierten die Teilnehmer der Öffentlichkeit ihre Lösungen. Herausgekommen waren drei Koloniemodelle, die zwar jeweils unterschiedlich geformt waren, aber sich in ihrer Lage, den verwendeten Baumaterialien und den lebenserhaltenden Systemen glichen.
Zwischen Erde und Mond
Als günstigste Lage ergab sich eine Position zwischen Erde und Mond, da an einem der so genannten Lagrange-Punkte Erd- und Mondanziehungskraft im Gleichgewicht stehen und eine Raumstation dort ohne eigenen Antrieb in einer stabilen Lage bleiben kann.
Im System von Mond und Erde existieren fünf solcher Punkte. Die ersten drei liegen auf einer gedachten Linie durch die Mitte der beiden Himmelskörper. L2 von der Erde aus gesehen hinter dem Mond, L1 zwischen Mond und Erde und L3 auf der dem Mond gegenüberliegenden Erdseite. Alle drei Punkte gelten als instabil, das bedeutet, das schon kleinste Störungen ein Objekt aus dem stabilen Ruhezustand herausschleudern können.
Im Gegensatz dazu sind L4 und L5 stabile Lagrange-Punkte. Sie liegen in der Mondumlaufbahn, der eine um 60 Grad in Flugrichtung des Mondes versetzt, der andere der Bewegung um 60 Grad hinterherhinkend. sie gelten als wahrscheinlichste und günstigste Kandidaten für eine stationäre Raumkolonie.
Rohstoffe vom Erdtrabanten
Vorausetzung für alle drei Kolonieformen war der Rohstoffabbau auf dem Mond. Nutzt man die auf dem Erdtrabanten vorhandenen Vorräte an Aluminium, Titan und Silikaten, müssen die Baumaterialien für die Stationen nicht mit großem Geld- und Materialaufwand gegen die Schwerkraft von der Erdoberfläche herauftransportiert werden. Das beim Erzabbau auf dem Mond anfallende Geröll könnte, so schlugen die Forscher vor, für die Abschirmung der Kolonien gegen die ionisierende Strahlung des Weltraums genutzt werden.
Stand: 22.09.2006