War die Entdeckung, dass Lake Wostok zweigeteilt ist, schon eine große Überraschung, so gilt dies auch für einige weitere Erkenntnisse, die Wissenschaftler in den letzten vier Jahren über die „lost world“ in der Antarktis vorgelegt haben.
So konnte beispielsweise ein internationales Forscherteam im Jahr 2005 zeigen, dass in dem geheimnisumwitterten Gewässer sogar Ebbe und Flut existieren – allerdings im Miniaturmaßstab. Gerade einmal um einen bis zwei Zentimeter variiert der Wasserspiegel je nach Position von Sonne und Mond. Nach Ansicht der russischen, deutschen und japanischen Wissenschaftler ist dies zwar wenig, aber doch genug, um das Seewasser zumindest ansatzweise zu durchmischen.
Wasserzirkulation im Visier
Präzisiert und ergänzt wurden diese Erkenntnisse über die Wasserzirkulation im See rund drei Jahre später durch US-amerikanische Forscher um Mathew Wells und John Wettlaufer von der Yale University in New Haven, Connecticut. In ihrem Labor konstruierten sie ein möglichst originalgetreues, allerdings nur rund 30 Zentimeter großes Modell des Sees, mit dem sie die Wasserbewegungen simulieren konnten.
Um das Szenario möglichst realistisch zu gestalten, legten sie im „Mini-Wostok“ zunächst eine Dämmschicht auf das Wasser, die den dicken Eispanzer des Originals imitieren sollte. Hinzu kamen dann noch Heizkissen, um die Wärmezufuhr zum See zu kopieren. Die Forscher berücksichtigten in ihrem Experiment auch den Corioliseffekt, indem sie das Wasserbecken in Rotation versetzten.
Strudel als Transportvehikel
In das Modell injizierte Färbemittel offenbarten anschließend Erstaunliches: Das Wasser im Lake Wostok bewegt sich offenbar vollkommen anders als sonstwo auf der Erde. Denn Wells und Wettlaufer beobachteten in ihrem Experiment ein Muster aus engen Wirbeln, das die Farbstoffe in Säulen vom Boden des Tanks bis an die Oberfläche und umgekehrt bewegte.
Die Wissenschaftler rechnen damit, dass diese Wirbel im echten See zehn bis 30 Meter Durchmesser hätten. Die Farbe bewegte sich so langsam, dass freischwebende Bakterien bis zu 30 Tage bräuchten, um zwischen Grund und Oberfläche zu pendeln – vorausgesetzt das Wostok-Modell verhält sich korrekt und realitätsgetreu.
Wehe, wenn der Akku leer ist
Die Erkenntnisse des Forscherteams werfen ein neues Licht auf mögliches Leben im Lake Wostok. „Die Frage ist, ob sie [die Bakterien] im See von oben nach unten gelangen können, wo Nährstoffe sind, bevor sie in Schwierigkeiten kommen und die ‚Verpflegung‘ knapp wird“, erklärt Wettlaufer im Wissenschaftsmagazin New Scientist. Denn nur aus den Sedimenten am Seeboden und an der Oberfläche, wo das Gletschereis schmilzt, gelangen genug Mineralien und andere Stoffe ins Wasser um den „Mikroben-Akku“ wieder aufzuladen.
Suche nach Leben in den Grenzschichten
Die größte Chance auf Leben im Lake Wostok zu stoßen – wenn es das dort überhaupt gibt – existiert daher in diesen Grenzschichten, wo Futter einigermaßen reichlich vorhanden ist. Sollte man irgendwann in der Lage sein, Wasserproben zu nehmen, dann nach Möglichkeit in diesen Bereichen, so die Forscher.
Stand: 07.11.2008