Anthropogeographie

Land statt Meer

Als die Nordsee noch weit im Norden lag

Heute ist Großbritannien eine Insel – die Nordsee und der Ärmelkanal trennen sie vom Rest des europäischen Kontinents. Doch das war nicht immer so. Am Ende der letzten Eiszeit, vor rund 12.000 Jahren, war so viel Wasser in den großen Gletschern der Nordhalbkugel gebunden, dass die Meeresspiegel bis zu 120 Meter tiefer lagen als heute. Als Folge lagen weite Teile der eher flachen Nordsee trocken. Die Meeresküste begann erst rund 600 Kilometer weiter nördlich.

Doggerbank
Lage der Doggerbank -hier wurden schon früh archäologische Funde gemacht. © NASA

Erste Funde schon vor gut 100 Jahren

Doch wie sah das vom Meer befreite eiszeitliche Land aus? Wie groß war es und wer lebte dort? Erste Hinweise darauf, dass Teile der Nordsee einst trocken lagen, wurden schon 1913 auf der Doggerbank gefunden. Diese rund 300 Kilometer lange und stellenweise nur 13 Meter tief unter Wasser liegende Sandbank liegt zwischen der Ostküste Englands und der Westküste Dänemarks. Dort förderten Fischernetze immer wieder Überreste von Landpflanzen, Tierknochen und sogar einige bearbeitet aussehende Feuersteine zutage.

1931 dann brachte ein Fischtrawler, der 40 Kilometer vor der Küste von Norfolk seine Netze ausgeworfen hatte, einen Torfklumpen an die Oberfläche, der einen besonderen Fund barg: In ihm steckte eine zurechtgeschnitzte Geweihspitze, die offenbar einst als Harpune diente. Datierungen enthüllten, dass dieser Fund schon knapp 12.000 Jahre alt war. Er war der erste eindeutige Beleg dafür, dass es zu jener Zeit Menschen in dieser heute versunkenen Gegend gab.

Von England bis nach Dänemark

Wissenschaftler vermuten, dass sich das versunkene Land – Doggerland getauft – vor rund 10.000 Jahren noch über mehr als 45.000 Quadratkilometer erstreckte. Es reichte von der Ostküste Englands bis nach Südschweden und Dänemark und grenzte im Süden an die heutigen Küsten der Niederlande und Deutschlands. Die Menschen der Steinzeit konnten demnach trockenen Fußes zwischen England und dem Rest des Kontinents hin- und herwandern.

Wahrscheinlich ließen sich nicht wenige unserer Vorfahren in diesen weiten, fruchtbaren Ebenen nieder. Denn als sich die Gletscher zurückgezogen hatten und das Klima milder wurde, entwickelte sich im Doggerland eine erst von Nadelbäumen durchsetzte, später auch mit Laufbäumen bewachsene Tundra. „Zur damaligen Zeit muss dies einer der besten Lebensräume gewesen sein“, erklärt Vincent Gaffney von der University of Bradford. „Es gab Süßwasser, Vögel, Fische. Und wir reden hier von einem Gebiet, das so groß war, dass dort ganze Kulturen gedeihen konnten.“

Doggerland
Doggerland vor rund 9.000 Jahren © Max Naylor/ CC-by-sa 3.0

Unter Schlamm verborgen

Das Problem jedoch: Seit der Eiszeit hat nicht nur das Wasser der Nordsee dieses versunkene Land überflutet, seine Landschaftsformen und alle Relikte früherer Besiedlung wurden auch von schlammigen Sedimentschichten bedeckt. Lange Zeit konnten Forscher daher nur erahnen, wie Doggerland einst aussah und wer dort lebte. Von allen einst besiedelten Regionen der Erde sind solche versunkenen Landschaften bis heute kaum erforscht – eine Terra Inkognita.

„Schon früh war klar, dass Doggerland wertvolle Informationen über das frühe menschliche Leben in Europa bergen muss, aber bisher fehlten uns die Werkzeuge, um dieses Gebiet vernünftig zu erkunden“, sagt Gaffney. „Wenn man mit einem nur einen Meter großen Greifer eine Landschaft von der Größe Hollands erkunden will, gleicht das Suche nach der Nadel im Heuhaufen.“

Doch Gaffney und sein Team haben sich davon nicht abhalten lassen…

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Doggerland
Auf der Suche nach dem versunkenen Paradies der Nordsee

Land statt Meer
Als die Nordsee noch weit im Norden lag

Ein europäischer "Garten Eden"
Landschaft und Lebenswelt im Doggerland

Die Bewohner
Auf der Suche nach dem Menschen von Doggerland

Der Untergang
Wie Doggerland im Meer versank

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