Auch ein Honigbienen-Parasit versteht die chemische Sprache. Die Milbe Varroa destructor „belauscht“ den Informationsaustausch zwischen Biene und Larve und erkennt am Duft, den die Larve ausströmt, den richtigen Zeitpunkt für das Eindringen in die Brutzelle. „Ruft“ die Larve nach Nahrung, gesellt sich die Milbe zu ihr und lässt sich mit durchfüttern. Mit einem synthetischen Nachbau dieser Kairomone, Pheromonen des Wirtes, die vom Parasiten missbraucht werden, gelingt es den Forschern bereits in einem Labortest, die Milbe olfaktorisch zu „lenken“. Denkbar ist, dass in Zukunft Lockstoff-Fallen helfen werden, die Milben zu bekämpfen. Die Entwicklung solcher Fallen wird allerdings noch einige Forschungsarbeit erfordern.
Fremde Organismen, die sich in die Duftkommunikation von sozialen Insekten einmischen, müssen aber nicht immer Schaden anrichten. Im Falle von Termiten, die die Bochumer Biologen ebenfalls untersuchen, haben sie sogar eine wichtige Bedeutung. Wie die sozial lebenden Hautflügler (Hymenopteren), zu denen Honigbienen und Hummeln gehören, nutzen auch die erdgeschichtlich wesentlich älteren Termiten chemische und akustische Signale zu ihrer Verständigung. So alarmieren manche Termitensoldaten ihre Nestgenossen, indem sie durch Klopfen mit ihrer Kopfkapsel Schallwellen erzeugen.
Chemische Signale dienen den Termiten zur Erkennung von Nestgenossen außer- und innerhalb des Nests. Anders als Honigbienen scheinen die Termiten jedoch zumindest einen Teil dieser nestspezifischen Erkennungssubstanzen nicht selbst zu produzieren. Vermutlich sorgen Bakterien, die im Termitendarm leben und den Tieren bei der Verdauung ihrer stark cellulosehaltigen Nahrung helfen, für den „unverwechselbaren Duft“.
Nachdem die Wissenschaftler einzelne Tiere mit einem Antibiotikum behandelt hatten, konnten sie feststellen, dass dadurch die Verwandtenerkennung der Termiten gestört wurde: Zwei Nicht-Nestgenossen, die beide für 48 Stunden mit einem Antibiotikum behandelt worden waren, tauschten häufiger Futter aus als Nestgenossenpaare, von denen nur ein Tier mit dem Antibiotikum behandelt worden war. Die Nicht- Nestgenossen fütterten sich genauso häufig wie sich unbehandelte Nestgenossen füttern. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Darmflora, die durch das Antibiotikum stark gestört wird, den Termiten dabei hilft, Freund und Feind – also fremde und nesteigene Artgenossen – voneinander zu unterscheiden.
Bei allen sozialen Insekten haben sich also durch natürliche Selektion aus einfachen Signalen hoch komplexe Kommunikationssysteme entwickelt, die oft mehrere sensorische Modalitäten einschließen. Die Untersuchung der vielen von den Bochumern und anderen Arbeitsgruppen identifizierten Verständigungssignale hilft den Forschern, diese Entwicklung zu verstehen – und sie bringt uns mit den Tieren ins Gespräch.
Stand: 17.09.2004