Mit dem Space Surveillance Network betreibt das US-Militär ein Netzwerk aus dreißig weltweit verteilten Radaranlagen und optischen Teleskopen. Täglich werden rund 400.000 Beobachtungen in einem Katalog verzeichnet. „Darunter sind auch Bahndaten von militärisch genutzten Satelliten, weshalb nur ein Teil des Katalogs frei zugänglich ist“, erläutert Wolfgang Riede. „Da es keine vergleichbare Datenbank gibt, sind Satellitenbetreiber ebenso wie Wissenschaftler abhängig davon, was von amerikanischer Seite veröffentlicht wird.“
Zudem hat die bisher hauptsächlich für die Weltraumschrott-Ortung eingesetzte Radartechnologie einige Nachteile: „Angefangen bei großen Radarschüsseln über eine sehr teure und umfangreiche Infrastruktur bis hin zur Datenaufbereitung ist sie ziemlich aufwändig“, so der DLR-Forscher.
Lichtreflexion verrät Entfernung
Im Gegensatz dazu arbeiten die Stuttgarter Wissenschaftler an einer wesentlich kompakteren und auch mobil einsetzbaren Technologie. Deren Funktionsprinzip lässt sich wie folgt erklären: Auf Basis vorhandener grober Bahndaten ermitteln die Forscher zunächst mit einem optischen Teleskop die genaue Position des Objekts am Himmel. Dazu nutzen sie die Dämmerungsphase, wenn das Sonnenlicht den Zielgegenstand vor einem bereits dunklen Hintergrund beleuchtet, und verwenden den Sternenhintergrund als astronomische Referenz für die Positionsbestimmung.
Im nächsten Schritt ermitteln sie mit Hilfe eines speziellen Lasers die Entfernung – in der Fachsprache wird dieser Vorgang Laser-Ranging genannt. Dabei strahlen sie das Ziel mit einem Laser an und berechnen die Entfernung aus der Laufzeit des vom Zielgegenstand reflektierten Lichts. „Die Herausforderung besteht darin, das jeweilige Objekt mit Abmessungen bis in den Zentimeterbereich in einigen hundert Kilometern Entfernung zu treffen“, veranschaulicht Riede die geforderte Genauigkeit. „Im Fußball entspräche das der Kunst, den Ball in ein 700.000 Kilometer entferntes Tor zu schießen.“
Eine weitere Herausforderung: „Dann muss noch genügend Licht zurückkommen, mit dessen Hilfe eine Entfernungsbestimmung möglich ist“, so Riede. „Von den rund dreitausend Laserpulsen, die unser Laser pro Sekunde aussendet, kommen nur etwa einhundert bis fünfhundert Lichtteilchen zurück.“ Aus der Position des Objekts am Himmel und der Entfernung berechnen die Wissenschaftler dann aus mehreren aufeinanderfolgenden Messungen die Flugbahn.
Neu für Weltraumschrott-Überwachung
Als Methode ist Laser-Ranging nicht neu: Seit den Sechzigerjahren kommen laserbasierte Verfahren zum Einsatz, um beispielsweise den Abstand eines Satelliten zur Bodenstation sehr präzise zu messen. Weltweit gibt es bisher aber nur wenige Laser-Ranging-Stationen, die daran arbeiten, mit Hilfe des Verfahrens auch Weltraumschrott zu untersuchen.
„Das Potenzial dieses Ansatzes ist vielversprechend, allerdings gibt es für die Forschung noch einiges zu tun, um vom experimentellen Status in die Technologieentwicklung und -umsetzung zu kommen“, fasst der Direktor des DLR-Instituts für Technische Physik, Thomas Dekorsy, zusammen. Als ersten Meilenstein haben die Wissenschaftler seines Instituts bereits im Jahr 2012 gemeinsam mit der Laserstation Graz des Instituts für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gezeigt, dass der laserbasierte Detektionsansatz prinzipiell machbar ist.
Für die Beobachtung von Weltraumschrott sind Laserleistungen von zehn bis deutlich über 100 Watt für sehr kleine Objekte notwendig, damit genügend Lichtteilchen für die Abstandsmessung zurück zur Erde kommen. Ein Schwerpunkt liegt deshalb auf der Entwicklung und dem Test geeigneter Lasersysteme für diesen speziellen Anwendungsfall sowie auf der praktischen Umsetzung des Konzepts in ersten Versuchsstationen.
Denise Nüssle/ DLR-Magazin
Stand: 07.09.2018