Die Bewohner der Schwarzen Raucher sind hart im Nehmen. Sie leben in einer brodelnden Giftbrühe mit Wassertemperaturen nahe dem Siedepunkt und Schwermetall- und Schwefelkonzentrationen, die jedes normale Lebewesen tot umfallen lassen würden. Wie schaffen es die Röhrenwürmer, Krebse und Muscheln dennoch, in diesem Inferno nicht nur zu überleben, sondern offensichtlich auch noch bestens zu gedeihen? Auch hier förderten die Untersuchungen der Meeresbiologen Erstaunliches zutage:
Es zeigte sich, dass der Riesenbartwurm Riftia nicht nur auf einen Verdauungsapparat verzichtet, sondern auch speziell angepasstes Blut besitzt. Normalerweise ist die Schwefelverbindung Sulfid für Wirbeltiere giftig. Sie blockiert die Sauerstoffbindungsstelle der roten Blutkörperchen und führt dadurch zum Ersticken.
Riftia hat dieses Problem elegant gelöst, indem ihre Blutkörperchen einfach einen zusätzlichen „Sulfid-Ankerplatz“ in das Blutkörperchen einbauten. Dadurch kann Sauerstoff auch dann noch gebunden werden, wenn schon ein Sulfidmolekül angedockt hat – der Wurm überlebt so in der Schwefelbrühe, ohne in „Atemnot“ zu kommen.
Bei anderen Schlotbewohnern sind es wieder die allgegenwärtigen Schwefelbakterien, die Abhilfe schaffen: Der Röhrenwurm Alvinella lebt in den heißesten und schwefligsten Bereichen der hydrothermalen Schlote. Er baut seine weißlichen, papierdünnen Wohnröhren nur Zentimeter vom Austrittsort der kochendheißen Giftbrühe entfernt, dort, wo pausenlos hochgiftige Mineralien und Schwermetalle auf ihn niederregnen. Entsprechend ungemütlich ist auch das Wasser innerhalb der Wurmröhre.
Doch Alvinella hat einen Schutzpanzer der besonderen Art: Auf seiner Körperoberfläche tummeln sich mehr als 30 unterschiedliche Bakterienarten. Wie ein lebendiger weißlicher Mantel umgeben sie den Wurm dicht an dicht. Die Meeresbiologin Carol Di Meo vermutet, dass die Bakteriendecke als eine Art tragbarer Kläranlage die Giftstoffe aus dem Wasser entfernt und so den Wurm vor Vergiftungen schützt.
Auch die Hitzeunempfindlichkeit des zehn Zentimeter langen Röhrenwurms stellt die Wissenschaftler vor ein Rätsel. Wenn Alvinella in ihrer Wohnröhren sitzt, badet ihr Kopf in angenehmen 20 °C. Ihr Schwanz jedoch, der direkt an der Schlotwand liegt, ist Temperaturen von mehr als 80 °C ausgesetzt. Vor einigen Jahren fotografierten französische Biologen einen Wurm, der seine Röhre verlassen und sich um eine Temperatursonde der Forscher geringelt hatte – das Thermometer zeigte dabei 105°C an.
Bisher weiß niemand, wie der Wurm es schafft, bei diesen Temperaturen zu überleben. Normalerweise beginnen die Enzyme und andere Eiweiße aller bekannten Vielzeller sich bereits bei 50°C zu zersetzen, Alvinella kann dies offensichtlich verhindern. Doch wie? Der Biologe Craig Cary von der University of Delaware glaubt zwar, dass vielleicht die Bakterien dem Wurm dabei helfen, besonders hitzeresistente Enzyme zu produzieren, doch nachweisen konnte man diese sogenannten Extremozyme bisher nicht…
Stand: 27.08.2000