„Man gewinnt oft den Eindruck, der tiefe Untergrund sei geradezu ein Garten Eden für Mikroorganismen. Unsere Forschungsergebnisse zeigen allerdings eher das Gegenteil“, dämpft Stephen Giovannoni, Mikrobiologe an der Oregon State University, den Enthusiasmus vieler Kollegen. Auch wenn allerorten neue Lebensformen und -strategien entdeckt werden – ein Zuckerschlecken ist das Dasein in der Tiefen Biosphäre nicht.

Durchhalten statt gedeihen?
Tatsächlich scheint das Leben in der Tiefe den meisten Mikroben nicht gerade gut zu bekommen: In Taylorsville im amerikanischen Bundesstaat Virginia stießen Forscher um Tommy Phelps vom Oak Ridge National Laboratory auf Mikroben in rekordverdächtigen 2,7 Kilometern Tiefe. Neugierig geworden, nahmen die Forscher diese Untergrundbewohner genauer unter die Lupe. Das Ergebnis war allerdings ernüchternd: Kaum eine der Zellen war aktiv, von Wachstum oder gar Vermehrung erst recht keine Spur.
Doch genau das widerspricht eigentlich allem, was die Mikrobiologen bisher unter Überleben verstanden. „Wir dachten immer, alles muss wachsen, um überleben zu können. Aber wenngleich dies für das Leben auf der Oberfläche zu stimmen scheint, ist es für Bakterien in extremen Umgebungen offenbar kein geeignetes Motto“ erklärt Phelps. „Was sie dort unten tun, ist nicht sehr viel. Sie versuchen einfach nur durchzuhalten.“
Nur eine lebende Zelle unter tausenden
Mikrobiologen vermuten, dass einige der winzigen Zellen, die sie aus den Bohrkernen herausholten, schon lange Zeit in einer Art Überdauerungszustand ausgeharrt haben, ohne sich auch nur einmal zu teilen. Der Mangel an energiereichen, organischen Molekülen und damit auch an Nahrung scheint sie zu diesem absoluten Sparregime zu zwingen. Für andere Arten ermittelten die Forscher durchschnittliche Generationszeiten von Jahrhunderten bis Jahrtausenden. Im Vergleich dazu leben oberirdische Einzeller geradezu im Zeitraffer: Viele von ihnen, wie beispielsweise unsere Darmbakterien, teilen sich alle zwanzig Minuten.