„Ich habe eine neue Welt gefunden: die Welt der kleinen Organismen, die zu Tausenden und Millionen auf fast jeder Scholle überall in diesem grenzenlosen Meer leben, das wir als das Reich des Todes zu betrachten geneigt sind. Die Mutter Natur hat eine merkwürdige Fähigkeit, überalll Leben hervorzurufen; selbst das Eis hier ist ein fruchtbarer Boden für sie.“
Schon der Zoologe und Polarforscher Fridtjof Nansen musste auf seiner Expedition im Jahr 1893 erstaunt feststellen, dass die Eiswüste der polaren Regionen keineswegs so leblos und öd ist, wie sie scheint: Unzählige winzige Algen, Bakterien, Pilze und Wimperntierchen besiedeln die kleinen Hohlräume innerhalb des Meereises, nur wenige Millimeter große Ruderfußkrebse und Nacktschnecken fressen sich quer durch diese „saftigen Weiden“.
In nur einem Liter Eis haben Polarforscher über eine Milliarde Bakterien und einige Millionen Algen nachgewiesen. Diese Eisalgen stellen 30 Prozent der gesamten Jahresmenge pflanzlicher Biomasse der Polarmeere. Für die Nahrungsketten in Arktis und Antarktis ist das Packeis daher ein lebenswichtiges Reservoir. Krebse, Fische, Wale und Robben hängen direkt vom Nahrungsangebot in und an den Eisschollen und Packeisflächen ab.
Packeis als sich wandelnder Lebensraum
Die Ausdehnung dieser Eisflächen variiert stark je nach Jahreszeit. Während die Packeisdecke in der Antarktis im Winter etwa doppelt so groß wie die Fläche Europas ist, schmilzt sie im Sommer auf nur vier Millionen Quadratkilometer zusammen. In der Arktis schwankt die Eisausdehnung zwischen sieben und vierzehn Millionen Quadratkilometern. Dort überdauern mehr als 50 Prozent der Eisschollen die sommerliche Schmelzperiode und können eine Dicke von über zwei Metern erreichen. Gerade weil das Meereis selbst und das Wasser drumherum bedeutende Lebensräume darstellen, ist dieses Vor- und Zurückweichen des Packeises auch aus biologischer Sicht für Polarforscher interessant.