Rund 10.000 Menschen nehmen sich in Deutschland jedes Jahr das Leben – häufig sind es Depressionen, die sie in den Tod treiben. Statistiken zeigen: Neun von zehn Selbsttötungen geschehen vor dem Hintergrund einer psychiatrischen Erkrankung. In mehr als der Hälfte dieser Fälle handelt es sich um eine Depression.
„Völlige Hoffnungslosigkeit“
„Durch eine krankhaft bedingte völlige Hoffnungslosigkeit in Verbindung mit quälenden, übertriebenen Schuldgefühlen und dem hohen, jede Depression begleitenden Leidensdruck sehen nicht wenig depressiv Erkrankte im Suizid den vermeintlich einzigen Ausweg“, sagt Ulrich Hegerl von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe.
„Das Tragische hierbei ist, dass sich oft schon nach einer Behandlung von wenigen Tagen die Fähigkeit zur Hoffnung und zur Freude wiedereinstellt und der Lebensmut zurückkehrt“, so der Psychiater. Der Suizid sei fast immer die Folge einer nicht optimalen Therapie.
Wichtige Alarmzeichen
Angehörige und Freunde können auf Warnzeichen achten, die darauf hinweisen, dass ein Depressionspatient womöglich suizidgefährdet ist. Wer fest zum Selbstmord entschlossen ist, wirkt zum Beispiel paradoxerweise oft ruhiger und weniger verzweifelt – womöglich sogar heiter. „Die Mitwelt kann zu dem trügerischen Schluss kommen, es gehe endlich wieder aufwärts mit dem depressiven Menschen“, schreibt das Deutsche Bündnis gegen Depression.
Doch das ist oft nur die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm: Der feste Entschluss, zu sterben, kann eine scheinbar befreiende Wirkung haben – und eine schlagartige Gemütsänderung hervorrufen. Eine wirkliche Besserung der Depression verläuft dagegen allmählich. Auch von extremer Hoffnungslosigkeit zeugende Äußerungen oder gar die Ankündigung eines Suizids sollte man unbedingt ernst nehmen.
Reden und Hilfe holen
Bei einem konkreten Verdacht ist schnelles Handeln gefragt. Das Deutsche Bündnis gegen Depression rät, das Thema direkt anzusprechen: „In aller Regel stellt es für einen suizidgefährdeten Menschen eine Entlastung dar, mit einer anderen Person über die quälenden Gedanken sprechen zu können.“ Wer sich selbst verzweifelt und alleingelassen fühlt, kann sich auch rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden.
Außerdem ist es wichtig, professionelle Hilfe hinzuzuziehen. Das kann ein Hausarzt, ein Psychotherapeut oder eine Klinik sein. Scheint ein Angehöriger oder Freund unmittelbar von Suizid bedroht und ist nicht bereit, gemeinsam eine Hilfestelle aufzusuchen, sollte ein Notarzt und die Polizei verständigt werden.
Bessere Betreuung, weniger Suizide
Durch eine adäquate Behandlung gelingt es fast immer, den Sterbewunsch zu vertreiben. Mehr depressiv Erkrankte denn je scheinen heute Hilfe zu suchen – und zu finden. Das zumindest legt ein Blick auf die Zahlen nahe: Seit über 30 Jahren sinkt die Zahl der Suizide in Deutschland kontinuierlich. „Heute nehmen sich pro Tag zwanzig Menschen weniger das Leben als vor dreißig Jahren. Das ist eine sensationelle Entwicklung und mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Erfolg der besseren Betreuung psychisch kranker Menschen“, sagt Hegerl.
Daniela Albat
Stand: 30.09.2016