Raubkatzen wecken Assoziationen mit Safaris, Urwald oder afrikanischer Steppe. Der Eurasische Luchs jedoch ist auch in Europa heimisch – und hier immerhin das drittgrößte Landraubtier nach Bär und Wolf. In Deutschland war er seit Mitte des 19. Jahrhunderts vollständig ausgerottet. Schuld daran war vor allem die Jagd durch den Menschen: Die große Katze hatte wie viele Raubtiere den Ruf, Vieh und Jagdbeute zu stehlen. Beim Luchs kam außerdem der Volksglaube hinzu, er sei ein besonders heimtückisches und diebisches Tier – der Ausdruck, jemandem etwas „abluchsen“ spiegelt diese Eigenschaften noch heute wieder.
Schlechter Ruf als Vieh- und Wilddieb
Mittlerweile gibt es wieder frei lebende Luchse in Deutschland, vor allem im Bayrischen Wald und im Harz. Allerdings wurden sie nicht von selbst heimisch: Erst eingerichtete Schutzgebiete sicherten den nötigen Lebensraum. Im Nationalpark Bayrischer Wald wurden in den 1970er Jahren die ersten Luchse ausgewildert, aber bereits seit 1950 waren vereinzelte Tiere aus der benachbarten Tschechei eingewandert. Das Luchsprojekt im Harz folgte im Jahr 2000, als dort 24 nachgezüchtete Tiere ausgesetzt wurden. Bereits 2002 gab es den ersten Nachwuchs in freier Wildbahn.
Die Populationen in Bayern und im Harz umfassen jeweils etwas mehr als 20 Tiere. Ob dies langfristig ausreicht, damit der Luchs dauerhaft sesshaft bleibt, ist noch unklar: Die Bestände sind nach wie vor sehr klein und damit empfindlich und die Tiere benötigen sehr ausgedehnte Jagdreviere. Außerdem stößt die Wiedereinbürgerung der Raubkatze auch auf Kritik: Landwirte und Jäger sorgen sich nach wie vor um Vieh und Wild. Seinen schlechten Ruf hat der Luchs offenbar noch nicht vollständig verloren.
Deutlich kleiner als der Luchs ist die Wildkatze, die ebenfalls seit jeher in Deutschland heimisch ist. Bis in die 1920er Jahre stand sie hier allerdings kurz vor der Ausrottung. Seitdem erholen sich die Bestände wieder: In den Wäldern der deutschen Mittelgebirge vom Schwarzwald über den Harz bis in den Thüringer Wald kommt die Katze noch wild vor, geschätzte 2.000 bis 5.000 Tiere leben heute in ganz Deutschland. Die Populationen wachsen bislang aber nur langsam, denn die Wildkatze hat noch immer mit schweren Bedingungen zu kämpfen.
Bedrohung durch die Hauskatze?
Auch die Wildkatze litt früher unter dem schlechten Ruf, ein räuberischer Schädling zu sein. Daher wurde sie bis ins 19. Jahrhundert stark bejagt. Das allein war jedoch nicht für ihren bedrohten Status in deutschen Wäldern verantwortlich: Neuere Forschungen deuten darauf hin, dass vor etwa hundert Jahren eine Krankheit unter den Wildkatzen grassierte und den Bestand dezimierte. Auch heute noch sind die Wildkatzen durch Ansteckung mit typischen Hauskatzen-Krankheiten wie Katzenleukemie, Katzenschnupfen oder Katzenaids gefährdet.
Haus- und Wildkatze können sich miteinander paaren und gemischten Nachwuchs zeugen. Eine Zeit lang nahm man an, dass solche Kreuzungen ebenfalls den Bestand gefährden, da das Wildkatzen-Erbgut allmählich verloren ginge. Dies ist aber sehr unwahrscheinlich: Ein Hauskater wird es trotz aller Ähnlichkeiten kaum schaffen, sich mit der deutlich größeren und stärkeren Wildkatze zu paaren. Umgekehrt wird eine Hauskatze nach der Paarung mit einem wilden Kater in den meisten Fällen nach Hause zurückkehren, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Daher wirkt sich der Nachwuchs nicht auf den Gen-Pool der Wildkatzen aus.
Katzenpfade verbinden zerstückelten Lebensraum
Trotz Jagdverboten macht der Wildkatze vor allem ihr zerstückelter Lebensraum zu schaffen: Wo früher noch weitläufige, zusammenhängende Waldlandschaften vorherrschten, gibt es heute nur noch vereinzelte Flecken. Dazwischen liegen große landwirtschaftlich genutzte Flächen, die die scheue Katze meidet. Straßen und besonders Autobahnen sind weitere unüberwindbare Hindernisse, die die Wildkatzen nicht mehr frei umherstreifen lassen. Diese Isolation sorgt dafür, dass die voneinander abgeschnittenen Wildkatzen-Populationen durch Inzucht gefährdet sind.
Programme zum Schutz der Wildkatze zielen darum darauf ab, die Lebensräume der nächtlichen Räuber miteinander zu verbinden und so größere Reviere zu schaffen. Zu diesem Zweck gibt es seit Anfang der2000er Jahre Bemühungen, ein regelrechtes Netz von „Wildkatzenpfaden“ aus angepflanzten Bäumen und Büschen zu schaffen. In den derartig miteinander verknüpften Naturschutzgebieten soll sich die Wildkatze bald wieder heimisch fühlen und vermehren.
Ansgar Kretschmer
Stand: 04.07.2014