Nicht nur Verkehr, Sicherheit oder Telekommunikation könnten in Zukunft vom neuen Galileo profitieren, auch für die Wissenschaft fällt dabei Einiges an „Mehrwert“ ab:
So transportieren die Satellitensignale nicht nur Informationen, die die Ortung betreffen, sondern liefern gleichzeitig auch wertvolle Hinweise über den Zustand und die Prozesse in der Atmosphäre. Wissenschaftler können aus den Daten, aber auch aus Verzögerungen oder Verzerrungen der Signale, ablesen, welche Drücke, Dichten, Feuchtigkeiten oder Winde in den verschiedenen atmosphärischen Schichten herrschen und diese zur Wetter- und Klimabeobachtung und -modellierung nutzen.
Hebungen und Senkungen…
Auch die Geowissenschaften profitieren von der neuen Satellitenarmada in der Umlaufbahn: Schon jetzt werden GPS-Sender und Empfänger beispielsweise zur Überwachung von Vulkanen oder in Erdbeben gefährdeten Gebieten eingesetzt. Die Satellitenmessungen enthüllen hier Hebungen und Senkungen der Erdkruste oder seitliche Verschiebungen, die mit bloßem Auge oder durch optische Sensoren nur schwer erfassbar sind, aber für die Frühwarnung vor Naturkatastrophen eine wichtige Rolle spielen. Galileo könnte solche Messungen noch präziser machen und damit möglicherweise auch die Vorwarnzeiten auf lange Sicht verringern.
Selbst auf See oder im Eis werden solche Satelliten gestützten „Bewegungsmelder“ eingesetzt: Mit ihrer Hilfe messen beispielsweise Glaziologen das schleichende Abtauen von Gletschern oder die Drift von Eisbergen in den polaren Meeren. Meereskundler versehen ihre Messbojen mit Ortungsgeräten, um jederzeit deren Position abfragen zu können. Und auch Umweltsünder könnten in Zukunft keinen ganz so leichten Stand mehr haben: Sind einmal alle Schiffe, aber auch Beobachtungsflugzeuge mit diesem System ausgerüstet, kann ein Tanker, der illegal Öl oder Chemikalien verklappt, erheblich schneller gefunden und überführt werden. Ähnliches gilt auch für Fischer, die beispielsweise in Meeresschutzgebiete eindringen und dort die Bestände gefährden.
NAUPLIUS wacht…
Dass dies tatsächlich funktionieren kann, zeigt das seit sechs Monaten installierte Modellprojekt NAUPLIUS, das auf dem Galileo-Vorläufer EGNOS basiert. Dafür wurde eine rund 740 Kilometer breite Überwachungszone vor der europäischen Atlantikküste eingerichtet und sechs verschiedene Schiffstypen, darunter eine Hochgeschwindigkeitsfähre, ein Tanker, und ein Containerfrachter als Demonstrationsobjekte eingesetzt. Jedes Schiff ermittelte seine Position über einen kombinierten GPS-EGNOS Empfänger. Diese Daten wurden von einem speziellen Computer durch Angaben über Schiff, Reiseziel und -route sowie Fracht ergänzt und an verschiedene Empfangs- und Überwachungsstationen an Land geschickt.
Sobald ein mit diesem System ausgerüstetes Schiff in europäische Gewässer einfährt, wird es damit automatisch von einer Kontrollstation erfasst. Verhält sich das Schiff verdächtig oder scheint es in Schwierigkeiten zu sein, fordert das Kontrollzentrum weitere Daten vom Schiff an, um die Ursache zu klären. Ist ein Eingreifen notwendig, kann damit sofort Alarm ausgelöst. Dank der genauen Angaben über Position und Status des Schiffes können die Diensthabenden dann gezielt Hilfe aussenden. Die ersten Tests haben gezeigt, dass ein solches System tatsächlich funktioniert und möglicherweise in Zukunft Tankerunfälle wie die der Schiffe Erika oder Prestige entweder ganz verhindert oder aber durch schnelle Reaktion deren Folgen minimiert.
Stand: 13.08.2004