Tabakanbau in den USA? Na klar. In Brasilien? Keine Frage. Aber in Deutschland? Unvorstellbar? Keineswegs. Auch in heimischen Gefilden hat der Tabak als landwirtschaftliche Nutzpflanze bereits eine lange Tradition. Das älteste Anbaugebiet liegt in der Pfalz, wo Tabak bereits im Jahre 1573 im Kirchgarten des kleinen Ortes Hatzenbühl kultiviert wurde.
Reichtümer jedoch waren mit dem Tabak in heimischen Gefilden kaum zu machen. Die Jahresernte brachte meist nicht mehr als einen durchschnittlichen Monatslohn ein. Dieser diente eher als Notgroschen für schlechte Zeiten, denn als Mittel um die normalen Kosten für die Versorgung der Familien zu bestreiten. Heute liegen die wichtigsten Tabakanbaugebiete Deutschlands in Baden-Württemberg, der Pfalz und in der östlichen Uckermark nahe der polnischen Grenze. Insgesamt 1.200 Betriebe produzieren dabei 11.000 Tonnen Rohmaterial jährlich. Zum Vergleich: Die Tabakernte in China belief sich 1997 auf rund vier Millionen Tonnen.
Als ungekrönte Königin unter den Sorten gilt in Deutschland die Sorte „Virgin“, die aus den USA stammt und bis zu einem Meter hoch wird. Jede Pflanze liefert maximal 20 Blätter, die vor allem zu Zigaretten, Zigarren oder Pfeifentabak verarbeitet werden. Auch der weltgrößte Tabakmulti Philipp Morris deckt sich jährlich mit mehr als zehn Prozent der deutschen Ernte ein, um die ungebrochene Nachfrage nach Glimmstängeln zu befriedigen.
Obwohl der Tabakanbau in Deutschland aus gesundheitlichen Gründen längst nicht mehr unumstritten ist, verfügt er doch über eine erstaunliche Lobby in Regierungskreisen. So erteilte im Oktober 1999 der damalige Bundesernährungsminister Karl-Heinz Funke dem Vorschlag, vom Tabakanbau doch lieber auf andere Kulturen auszuweichen, eine klare Absage.
Funke argumentierte, dass die EU derzeit etwa 50 Prozent ihres Tabakbedarfs importieren müsse und deshalb ein enormer Bedarf vorhanden sei. Ziel müsse es sein, den Anbau besonders hoher Qualitäten auszuweiten. Auch Insider der Branche, wie der Vorsitzende des Landesverbandes baden-würtembergischer Tabakpflanzer Alexander Kopf, sehen die Zukunft des Nachtschattengewächses hierzulande eher positiv. Ihrer Meinung nach gehört der Tabakanbau zu den wenigen profitablen Zweigen der Landwirtschaft und kann selbst als Nischenprodukt durchaus zur Existenzsicherung vieler Bauern beitragen.
Ein wichtiger Grund für das auch in Deutschland beliebte Geschäft mit der Nikotinbombe Tabak sind allerdings die üppig fließenden Subventionen aus den Töpfen der EU, die den Bauern unabhängig von der Marktsituation ein gewisses Grundeinkommen garantieren.
Stand: 12.06.2003