Zurück im Labor erhielten wir die ersten Ergebnisse der Zirkonmessungen. Manche Zirkone waren etwa 100.000 Jahre alt, was dem erwarteten Eruptionsalter dieser Laven entsprach. Dann wiederum gab es Zirkone, die viel älter waren, und zwar um fast zwei Millionen Jahre. Das Bemerkenswerteste war allerdings, dass wir eine fast ununterbrochene Reihe von Zirkonaltern zwischen diesen beiden Endpunkten gemessen hatten.
Diese überraschende Altersspanne war ein eindeutiger Beleg, dass Zirkon in der Tiefe über einen extrem langen Zeitraum wachsen konnte, ohne dass es zwischendurch zu einem Ausbruch kam. Da sich Zirkon fast ausschließlich im Magma bildet, bedeutete dies, dass auch in den scheinbaren Ruhephasen immer etwas Magma unterhalb der späteren Lavadome vorhanden war. Mit meinem
Kollegen Oscar Lovera von der University of California Los Angeles haben wir versucht, dieses Phänomen besser zu verstehen.
Ein Riesen-Pluton im Untergrund
Oscar entwickelte ein Computermodell, das berechnete, wie viel Magma von unten in eine Magmakammer nachströmen muss, um der Abkühlung der Kammer in wenigen Kilometern Tiefe unterhalb des Vulkans entgegenzuwirken. Die sich aus den Zirkonaltern herleitende Bedingung war, dass immer genügend Schmelze zwischen zwei Magmaschüben verweilen musste, damit Zirkon über einen langen Zeitraum wachsen konnte.
Die Berechnungen ergaben, dass während des fast zwei Millionen Jahre andauernden Zirkonwachstums durch zahllose Magmaschübe ein Pluton gewaltigen Ausmaßes entstanden sein musste, dessen Volumen um etwa das 75-Fache über das hinausging, was an Magma in der Eruption vor 100.000 Jahren letztendlich an der Oberfläche austrat.
Schnelles Umkippen
Oscars Modell erlaubte es uns auch, unterschiedliche Mengen des aus der Tiefe aufsteigenden Magmas zu simulieren. Wenn man im Modell die Zufuhr von heißem Magma aus der Tiefe nur etwas erhöhte, dann hielten sich Aufheizung und Abkühlung nicht mehr die Waage. Stattdessen kam es zu einem dramatischen Anwachsen der Schmelzmenge unter dem Modellvulkan. Nach wenigen 100.000 Jahren war die Magmablase dann derart angewachsen, dass sie nur noch in einer gewaltigen
Explosion platzen konnte.
Interessanterweise scheint nicht viel zu fehlen, damit ein System vom Zustand eines weitgehend friedlich in der Tiefe wachsenden Plutons in eine Phase chaotisch platzender Magmablasen umschlägt. Auf einem Küchenherd mit zehn Heizstufen entspräche das in etwa, den Schalter von „2“ auf „3“ zu drehen. Auch wenn das noch in ferner Zukunft liegt: Eine erneute supervulkanische Phase in den zentralen Anden ist daher nicht auszuschließen.
Ruhe lässt Plutone wachsen
Unsere Untersuchungen in den Anden haben ergeben, dass sich ausgedehnte Plutone in der Regel während vulkanischer Ruhephasen bilden. Große Ansammlungen von Magma tragen wahrscheinlich erstaunlich wenig zum Wachstum eines Plutons bei, sondern neigen wegen ihrer Instabilität zur vulkanischen Entleerung, die in der Tiefe nur wenige Spuren hinterlässt. Mein phantastischer Magmapool in der Sierra Nevada hat daher wahrscheinlich nie so existiert.
Warum der Magmanachschub in den Anden anscheinend im Laufe von Millionen Jahren schwankte, bleibt allerdings noch ungeklärt. Veränderungen in der Geometrie oder Zusammensetzung der in einer Subduktionszone abtauchenden Platte könnten den Magmanachschub beeinflussen.
Autor: Axel Schmitt, Institut für Geowissenschaften der Universität Heidelberg / Ruperto Carola