Ein leicht fauliger Geruch weht vom stehenden Gewässer zwischen den freiliegenden Wurzeln der Mangroven herüber. Der undurchdringliche Wirrwarr rechts und links des Flusses ist jetzt bei Ebbe ein nasser Morast, aus dem die zentimeterdicken Wurzeln sich über Kopfhöhe erheben. Erst darüber finden sie sich zu Stämmen zusammen, deren Blätterdächer den Sumpf ständig in Dunkelheit hüllen.
Über die Hälfte der Ngeremeduu Bucht an der Ostküste der Insel Babeldaobs ist von weitläufigen Mangrovenwäldern bewachsen, die nur schmale Fahrrinnen entlang der Flüsse freilassen. Auf 1.500 Hektar beherbergt die größte Meeresbucht Mikronesiens ein auf der Erde selten gewordenes Ökosystem: Ein einzigartiger Übergangsbereich zwischen Meer und Land, Salzwasser vermischt mit Süßwasser.
Etwa 20 verschiedene Baumarten, wie etwa die rote und schwarze Mangrove, wachsen in den Wäldern Palaus. Neben den senkrechten Verankerungen im Erdreich haben sich Wurzeln als Querverstrebungen und Stützbalken entwickelt, die dem Stamm im weichen Untergrund Halt geben. Die besonderen Luftwurzeln (pneumatophoren) dagegen sind ausschließlich für den Austausch von Kohlendioxyd und Sauerstoff zuständig – in dem Schlick könnten die Pflanzen sonst nicht atmen. Schon ab einem halben Zentimeter Tiefe müssen alle Prozesse ohne Sauerstoff ablaufen. Daher nehmen die Poren der Atemwurzeln etwa zwanzig Zentimeter über dem Boden durch ein schwammartiges Gewebe (Aerenchym) Sauerstoff auf und transportieren es in die unterirdischen Bereiche des Wurzelsystems. Seitlich von den Atemwurzeln gehen noch Ernährungswurzeln ab, die Wasser und Ionen aufnehmen.
Auch Tiere mögen’s matschig
Zwischen dem Wurzelwerk der Bäume finden zahlreiche Tiere einen besonderen Lebensraum. Krustentiere wie etwa die Mangroven-Krabbe legen hier ihre Eier, Muscheln klammern sich direkt an die Wurzeln, Fische durchschwimmen im Slalom die Säulen der Wälder und Vögel nisten auf dünnen, schwingenden Ästen. Bei Flut sind die leichten Vögel so vor den schweren Raubtieren an Land sicher, und die Palauanische Frucht-Taube beispielsweise kann die Abgeschiedenheit der Wälder in Ruhe genießen. Allerdings kommen mit dem Wasser andere Räuber in Reichweite. Die Salzwasserkrokodile (Crocodylus porosus) leben mit Vorliebe in den feuchten, schattigen Sumpfwäldern, wo sie ihren schweren, bis zu sechs Meter langen Körper, leicht über den Schlick ziehen können.
Weit weniger gefährlich, dafür fast ebenso groß ist die gemächliche Seekuh (Dugon dugon). Die äußerst seltenen Tiere ähneln zwar vom Aussehen her großen Robben, sind jedoch biologisch mit dem Elefanten verwandt – obwohl sie keinen Rüssel haben. Sie mögen das seichte Wasser der Meeresbuchten, durchstöbern die Seegrasfelder und spielen dort oft mit ihren Jungen. Im 18. Jahrhundert wurden sie von den Seeleuten für Meerjungfrauen gehalten und galten in der Mythologie Palaus als Zeichen des Häuptlings. Bis sie vor etwa 20 Jahren unter Schutz gestellt wurden, waren sie allerdings in erster Linie ein wichtiger Fleischlieferant und ihr Rückgrat war begehrt als traditioneller Knochenschmuck.
Ein Schutzgürtel für Tier und Land
Ein Stück flussaufwärts tritt der dichte Bewuchs auf einmal zurück und gibt Platz für einen kleinen See frei – eine Lichtung in den Mangroven. Nur das Gurgeln des Wassers und die spitzen Schreie eines Vogels sind zu hören. Geschützt von Wellen, Wind und Motorbootverkehr ziehen sich oft auch Hawksbill-Schildkröten an diese stillen Orte zurück. In den Mangrovenwäldern der Koralleninseln im Süden sind diese Orte auch bevorzugte Plätze für Riesenmuscheln (Tridacnidae), die bis zu anderthalb Meter lang werden können. In Palau leben sieben der neun bekannten Arten – Weltrekord.
Die Ränder der Feuchtgebiete dagegen bieten ideale Bedingungen für Amphibien und Reptilien. Die Monitor-Eidechse ist mit mehr als einem Meter eindeutig die Größte der Gattung und macht Jagd auf kleinere Echsen, Frösche und Schlangen. Allerdings dürfte der Baum-Frosch ihr dabei einige Male entwischen, da er als Amphibie im Wasser untertauchen kann.
Doch die Bedeutung der Mangrovenwälder für Palau geht weit über seine Funktion als Lebensraum für die Tierwelt hinaus. Der breite Bewuchs schützt den gesamten Uferbereich vor der Erosion durch Wellen und Wind. Der lockere Ablagerungsboden würde ohne die starke Verwurzelung der Wälder unmittelbar vom Meer weggespült. Gleichzeitig filtert das Netz von Pflanzen, Stämmen und Wurzeln die Sedimente und Pflanzenreste aus den abfließenden Bächen und Flüssen der Insel. Diese würden sich sonst auf den Riffen ablagern und somit zum Tod der Korallen führen. Damit sind die Ökosysteme an Land und im Meer abhängig vom empfindlichen Lebensraum der Mangroven.
Doch jede kleinste Veränderung der Umwelt kann die anfälligen Mangroven selbst gefährden. Sturmfluten und tropische Taifune etwa können die Schutzzone schwer beschädigen. Und bei zunehmender Häufigkeit von Wetterextremen wie in diesem Jahrzehnt bleibt den Wäldern kaum noch Zeit, sich dazwischen wieder zu erholen. Die größte Bedrohung geht jedoch von den Menschen aus: Innerhalb weniger Monate können schadstoffhaltige Abwässer oder verschmutztes Meerwasser die Lebensräume vergiften oder die Mangroven müssen Stränden, Hotels oder Bootshäfen weichen. Nur durch gezielten Schutz und nachhaltige Kontrolle einer ganzen Region können die Mangrovenwälder von Palau erhalten werden.
Stand: 05.05.2006