Kaum ein Jahr nach dem Fälschungsskandal um die Krebsforscher Herrmann und Brach erhielt 1998 die „weiße Weste“ der deutschen Forschungslandschaft ihren zweiten dunklen Fleck: Eine technische Angestellte des Kölner Max-Planck Instituts für Züchtungsforschung (MPIZ) wurde des Betruges überführt. Nach Angaben des MPIZ hatte die etwa vierzig Jahre alte Frau seit mindestens sechs Jahren systematisch Daten und Experimente manipuliert.
Aufgedeckt wurden die Fälschungen erst, als eine junge Wissenschaftlerin, die neu zur Arbeitsgruppe dazugekommen war, Verdacht schöpfte: Die Experimente, die der technischen Angestellten (TA) scheinbar problemlos gelangen, ließen sich von ihr nicht reproduzieren. Sie wandte sich daraufhin an drei Kollegen aus der selben Arbeitsgruppe, die sofort ebenfalls versuchten, die Experimente nachzuvollziehen – ohne Erfolg. Misstrauisch geworden, stellten sie der TA eine Falle: Sie baten die TA, die Aktivität einer vermeintlichen Enzymlösung zu messen. Die Lösung enthielt in Wahrheit nichts als Wasser, hätte also keinerlei Aktivität aufweisen dürfen. Dennoch erhielten die drei Forscher von der TA eine Reihe von Enzymwerten mitsamt übersichtlicher Diagrammdarstellungen – eindeutig und vollständig erfunden. Auch in Versuchen zum Pflanzenwachstum soll die TA getrickst haben. In mehreren Fällen versetzte sie Proben mit einem künstlichen Wachstumshormon, um die gewünschten Ergebnisse zu erhalten.
Erleichtert wurden diese Manipulationen dadurch, dass der Laborleiter die Durchführung von sogenannten Blindtests unterließ. Bei diesem als Standard in der Forschung geltenden Verfahren darf derjenige, der die Messungen durchführt, nicht über den jeweiligen Inhalt der Proben informiert sein. Damit soll sichergestellt werden, dass der Durchführende nicht unwillkürlich oder absichtlich die Ergebnisse der Tests den Erwartungen anpassen kann. Ohne dieses Verfahren war es der TA ein Leichtes, die jeweils „passenden“ Versuchsergebnisse zu liefern.
Nachdem der Institutsdirektor Jozef Schell informiert worden war, konfrontierten die Wissenschaftler die Frau mit den Vorwürfen, die daraufhin einen Nervenzusammenbruch erlitt. Über ihre Motive ist nichts bekannt, sie gilt aber mittlerweile als „geistig verwirrt“. Der Laborleiter beteuerte zwar zunächst sein Nichtwissen, wurde aber dennoch zur Verantwortung gezogen und entlassen. Bei der Untersuchung des Falls wendet die Max-Planck Gesellschaft erstmals das 1997 anläßlich des Betrugsskandals um die Krebsforscher Herrmann und Brach entwickelte „Verfahren bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten an“.
Das wahre Ausmaß der Fälschungen scheint indes noch immer nicht absehbar: Von den Fälschungen betroffen sind mindestens elf Publikationen des Instituts, darunter auch solche in international angesehenen Fachzeitschriften wie „Nature“ und „Science“. Die Autoren sind nun gezwungen, sämtliche Experimente erneut nachzuvollziehen und damit zum Teil ihre eigenen Veröffentlichungen zu widerlegen, ein Teil der Publikationen wurde bereits zurückgezogen. Inwieweit auch ältere Veröffentlichungen des Instituts auf manipulierte Daten zurückgehen, konnte noch nicht geklärt werden. Auch der Name des Institutsdirektors Jozef Schell taucht auf einigen der betroffenen Veröffentlichungen auf, im Gegensatz zum Laborleiter konnte er jedoch nachweisen, nichts von den Vorgängen im Labor gewusst zu haben.
Stand: 13.02.2000