Mit einem entspannten Tauchurlaub hat die NEEMO-Mission kaum etwas gemeinsam. Denn wie auf einer echten Raumstation haben die Aquanauten einen strammen Zeitplan und müssen ihre Aufgaben unter allerlei widrigen Bedingungen durchführen. Diese Aufgabe kann das Sammeln von Korallenproben und ihre anschließende Analyse im Bordlabor sein, aber auch der Test von Bohrern und anderen Werkzeugen, die später auf Mond, Mars oder Asteroiden eingesetzt werden sollen. Auch Raumanzüge, Rover und Roboter testen die Aquanauten.
Mission Control antwortet nicht – oder erst später
Vorgegeben und überwacht werden die Arbeiten wie bei Raummissionen üblich vom Kontrollzentrum. Die „Mission Control“ an Land teilt die Aquanauten für die Arbeiten ein, plant die Details der Außeneinsätze und Experimente und gibt Feedback und Ratschläge. Allerdings: Auf dem Mars oder einem Asteroiden klappt diese Kommunikation nur mit Verzögerung, denn die Funksignale müssen erst den Weg zur Erde und zurück durchqueren. Eine solche Verzögerung ist daher auch bei NEEMO eingebaut.
In der aktuellen Mission geht es vor allem darum, Handlungsabläufe und Ausrüstung für künftige Außeneinsätze auf dem Mars zu erproben. Deshalb wird die gesamte Kommunikation mit dem Kontrollzentrum um rund zehn Minuten verzögert – wie es auf dem Roten Planeten auch der Fall wäre. „Eine Herausforderung der Mission besteht darin, trotz dieser Zeitverzögerung effektiv und erfolgreich zu arbeiten“, erklärt NEEMO-Aquanaut D’Agostino.
Durch künstliche Störungen kann das Kontrollzentrum zudem jederzeit testen, wie stark eine unterbrochene oder stark verzögerte Kommunikation die Aquanauten stresst und welche Aktionen dann womöglich gar nicht mehr funktionieren. Wie gut können die Teams dann improvisieren? Und wie wirken sich solche Probleme psychologisch auf die einzelnen Crew-Mitglieder aus?
Ein OP-Roboter auf dem „Mond“
Ausprobiert wurde auch schon, wie dadurch telemedizinische oder telerobotische Prozeduren beeinträchtigt sind. Denn im Falle eines akuten Notfalls, beispielsweise auf einer Mond- oder Marsstation, könnten ferngesteuerte OP-Roboter die Astronauten bei Notoperationen unterstützen. „Bei solchen ferngesteuerten Operationen steuert ein Chirurg einen mehrarmigen Roboter, der den Eingriff vor Ort durchführt“, erklärt Thomas Low vom Stanford Research Institute (SRI).
Damit dies im Weltraum funktioniert, muss der OP-Roboter aber auch bei verzögerten Steuersignalen korrekt und vor allem sicher für den Patienten funktionieren. Wie gut dies funktioniert, testeten die Aquanauten der NEEM 9-Mission. Ihr Patient war ein medizinischer Dummy, der dringend einen Baucheingriff benötigte. Die Aufgabe des OP-Roboters war es unter anderem, Gewebeschnitte durchzuführen und eine Blutader zuzunähen.
Der Haken dabei: Die Aquanauten simulierten eine Mondmission. Alle Signale kamen daher mit zwei bis drei Sekunden Verzögerung an. Jeden Handgriff, den der in Kanada sitzende Chirurg Mehran Anvari an seinem Kontrollsystem durchführte, erhielt der OP-Roboter daher erst nach entsprechender Pause. Aber es gelang: Der Roboter nähte die Vene und der Dummy überlebte. „Diese Mission hat damit eine wichtige Anwendung dieser Roboter-Technologie demonstriert. Sie kann Astronauten bei Raummissionen eine medizinische Notfallversorgung geben“, sagt Low.
Nadja Podbregar
Stand: 30.06.2017