Für das Ziel der Ernährungssicherung müssen die Nachfrage- und Angebotstrends gezielt verändert werden. Aber wie kann das gelingen? An der Stellschraube des Bevölkerungswachstums, das vornehmlich in Entwicklungs- und Schwellenländern stattfindet, kann in gewissem Maße durch Maßnahmen wie bessere Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten insbesondere für Frauen sowie die Verbesserung des Zugangs zur Empfängnisverhütung gedreht werden.
Allerdings ist eine Abschwächung der Wachstumsraten durch solche Maßnahmen in gängigen Schätzungen zur Bevölkerungsentwicklung bereits enthalten. Bleibt zum Beispiel die Nachfrage nach tierischen Produkten: Ist es sinnvoll, hier etwas zu verändern? In den Industrieländern ist der Fleischkonsum derzeit eher zu hoch und gesundheitsgefährdend, eine Reduktion wäre also sinnvoll. In vielen armen Entwicklungsländern ist der Konsum tierischer Produkte dagegen relativ gering – dort könnte eine Steigerung des Verbrauchs die Qualität der Ernährung verbessern.
Streitpunkt Bioenergie
Naheliegender und sinnvoller scheint eine Drosselung des Konsums dagegen im Bereich der Bioenergienutzung, sagen Experten. Bei den heutigen Nutzungsformen gibt es eine unmittelbare Konkurrenz mit der Verfügbarkeit von Nahrung, die man nicht aus den Augen verlieren darf. Die politische Förderung von Bioenergie, die diese Konkurrenz weiter schürt, sollte mit Blick auf die Welternährung neu bewertet werden.
Zusätzlich könnte die Nachfragesituation verändert werden, indem das Ausmaß des vor allem in den reichen Ländern grassierenden Wegwerfens von Lebensmitteln verringert wird. Solche Veränderungen erfordern ein bewussteres Konsumverhalten seitens der Verbraucher, was durch Aufklärung und politische Lenkungsmaßnahmen wie Lebensmittelvorschriften beeinflusst werden kann.
Nachhaltige Produktionssteigerung
Auch in Sachen Angebot kann einiges getan werden. Unabhängig von der Produktion lässt sich das Angebot zum Beispiel durch die Verminderung der Verluste bei Transport und Lagerung erhöhen. Insbesondere in den Entwicklungsländern können verbesserte Infrastruktur und Logistik hierzu einen wichtigen Beitrag leisten.
Aber auch eine stärkere Produktionssteigerung in der Landwirtschaft selbst ist notwendig. Ein theoretischer Ansatzpunkt wäre es, mehr Land zu bewirtschaften, aber diese Strategie stößt schnell an ökologische Grenzen. Mit Blick auf Nachhaltigkeit sollte daher ein Produktionszuwachs durch höhere Erträge das primäre Ziel sein – allerdings ohne dabei die Umwelt zu übernutzen.
Forschung für höhere Erträge
Solche Ertragssteigerungen sind prinzipiell möglich, erfordern aber mehr technologischen Fortschritt. In den vergangenen 20 Jahren wurde der Agrarforschung keine ausreichend hohe Priorität eingeräumt. Inzwischen wurde ihre Bedeutung für die Welternährung zwar wiederentdeckt. Die heutigen Investitionen in die Forschung werden aufgrund der Entwicklungszeiten allerdings erst in zehn bis 20 Jahren für die Praxis relevant werden.
Über die Höhe der Forschungsinvestitionen hinaus sollte über die richtigen Technologieansätze nachgedacht werden. Hierbei geht es auch um die Förderung und Nutzung neuer Technologien, inklusive der Gentechnik. Außerdem müssen verbesserte Bedingungen geschaffen werden, damit gerade Kleinbauern in Entwicklungsländern vorhandene und neue Technologien auch anwenden können. Das Ziel einer nachhaltigen Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft muss weltweit verfolgt werden.
Vor allem die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern sollte gefördert werden, weil sowohl der Nachfrageanstieg als auch die Potenziale zur Steigerung der Produktivität dort am größten sind. Außerdem sind viele arme und hungernde Menschen in den Entwicklungsländern direkt oder indirekt von der Landwirtschaft abhängig, sodass deren Einkommen und damit der ökonomische Zugang zu Nahrung durch Agrarförderung gesteigert werden kann.
Matin Qaim für bpb.de/ CC-by-nc-nd 3.0
Stand: 22.09.2017