Ein Gläschen in Ehren der Gesundheit zuliebe? Was Wissenschaftler seit Jahrzehnten immer mal wieder propagieren, klingt eigentlich zu schön um wahr zu sein: In großen Mengen schadet Alkohol unserem Körper zwar. Doch das tägliche Glas Rotwein oder Bier ist angeblich gesund. Es soll sich lebensverlängernd auswirken, so die These. Doch stimmt das wirklich?
Dass Alkohol einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben könnte, vermuteten Forscher erstmals 1979. In einem Artikel in der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“ beschrieben sie das sogenannte „Französische Paradox“. Obwohl sich Menschen in Südfrankreich fettreicher und üppiger ernähren als solche in anderen Industrieländern, erleiden sie demnach seltener Herzinfarkte und leben länger. War das womöglich ihrer Liebe zum Wein zu verdanken?
Mutmaßliche Schutzwirkung
Seitdem begannen Forscher, den Effekt moderaten Alkoholkonsums in zahlreichen Untersuchungen unter die Lupe zu nehmen – mit oftmals vielversprechenden Ergebnissen. So deuten einige Studien daraufhin, dass ein regelmäßiges Glas Rotwein Herz-Kreislauferkrankungen entgegenwirkt und die Gefäße schützt. Vor allem der im Rotwein enthaltene Pflanzenstoff Resveratrol gilt als verantwortlich dafür.
Doch viele Analysen bescheinigen nicht nur dem roten Wein eine solche Wirkung. Auch mäßiger Bierkonsum könnte Untersuchungen zufolge das Herz schützen. Ein Gros von Studien schreibt sogar dem Alkohol generell einen gesundheitswirksamen Effekt zu, ohne dabei ein bestimmtes Getränk zu betrachten. Wer ein bis zwei Drinks pro Tag trinke, profitiere von einer schützenden Wirkung des Alkohols und lebe länger, so das Fazit aus einer dieser Untersuchungen.
Moderate Trinker leben nicht länger
Inzwischen jedoch macht sich unter Wissenschaftlern immer öfter Skepsis breit. Es zeigt sich: Die These vom gesunden Gläschen geht auf Studien zurück, die wissenschaftlich teilweise nicht haltbar sind. Insbesondere die Definition von Abstinenzlern entpuppt sich in vielen Untersuchungen als problematisch. Oft galten darin alle Menschen als abstinent, die nur im Studienzeitraum keinen Alkohol tranken. Dabei landeten auch Personen in den Vergleichsgruppen, die aufgrund einer Krankheit oder einer Sucht keinen Alkohol konsumieren durften, also gesundheitlich angeschlagen waren.
Wie eine aktuelle Analyse von kanadischen Wissenschaftlern von der University of Victoria in British Columbia offenbart, hat der gesundheitliche Vorteil der maßvollen Trinker gegenüber den Nichttrinkern nichts mit dem Alkohol zu tun. Nachdem die Forscher um Tim Stockwell aus 87 Studien Verzerrungen etwa durch kranke Abstinenzler herausgerechnet hatten, war von der längeren Lebenserwartung der moderaten Trinker nichts mehr übrig. Zwischen ihnen und den Nichttrinkern gab es keinen nennenswerten Unterschied.
Krebsrisiko steigt mit jedem Glas
Moderates Trinken verringert zwar womöglich das Risiko für bestimmte Herzkrankheiten. Es kann jedoch gleichzeitig die Entstehung anderer Erkrankungen fördern. Laut der europäischen EPIC-Studie zum Thema Krebs und Ernährung erhöht sich zum Beispiel schon bei geringen Mengen das Risiko an Darm- oder Leberkrebs zu erkranken. Bei Frauen steigt zudem mit jedem Glas die Wahrscheinlichkeit für Brustkrebs.
Deshalb betont auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, dass Alkohol – egal, ob Wein, Bier oder Spirituosen – nicht zur Prävention empfohlen werden kann. „Insgesamt überwiegen die negativen Wirkungen auf die Gesundheit.“
Daniela Albat
Stand: 15.04.2016