Physik

Materie ohne Masse?

Das Problem mit den Elementarteilchen

Das Standardmodell der Teilchenphysik, das Modell, in dem das gesammelte Wissen der teilchenphysikalischen Forschung der letzten Jahrzehnte zusammenfließt, wurde in den 60er Jahren entwickelt und seitdem einer Vielzahl von Präzisionstests unterzogen – mit großem Erfolg. So konnten die Forscher keine Abweichungen zwischen theoretischen Vorhersagen und experimentellen Befunden beobachten. Die Freude ist allerdings getrübt. Denn es gibt da ein nicht unbedeutendes Problem: das Modell in seiner ursprünglichen Form kann nur masselose Elementarteilchen beschreiben.

Physik in Erklärungsnot

Man braucht nicht Physik studiert zu haben, um zu erkennen, dass sich die Wissenschaft an dieser Stelle in Erklärungsnot befindet. Wenn die Materie unseres Universums aus Elementarteilchen aufgebaut ist, wie kann es dann Elementarteilchen ohne Masse geben? Das klingt unplausibel: werden wir doch jeden Tag erneut mit unserem eigenen Körpergewicht und dem Gewicht der uns umgebenden Gegenstände – zuweilen auf unangenehme Weise – konfrontiert.

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So haben Experimente an älteren Teilchenbeschleunigern auch bestätigt, was die Alltagserfahrung ohnehin schon immer vermuten ließ: Für nahezu alle bekannten Teilchen lässt sich eine spezifische Masse ausmachen; die schwersten subatomaren Teilchen sind das Top-Quark und die Austauschteilchen der schwachen Kernkraft, die etwa der Masse beziehungsweise der halben Masse eines Goldatoms entsprechen.

Mathematischer Kunstgriff

Der Schotte Peter Higgs und zeitgleich andere Kollegen entwickelten aufbauend auf Ideen von Philip Anderson in der Festkörperphysik einen ‚mathematischen Kniff’, der das Erklärungsproblem des Standardmodells, zunächst nur auf dem Papier, lösen kann: den nach seinem Erfinder benannten ‚Higgs-Mechanismus’. Dieser erlaubt es, den elementaren Bausteinen der Materie (Elektronen und Quarks) und den Kraftteilchen eine effektive Masse zu geben, und die Theorie dennoch selbstkonsistent zu bewahren.

Nun mag der physikalisch Gebildete einwenden, dass die Masse unserer Umwelt hauptsächlich auf den Massen von Protonen und Neutronen in den Atomkernen beruht, die zum größten Teil von der Bewegungsenergie und anderen Effekten der starken Kernkraft herrührt. Ein Mechanismus, den das Standardmodell schon immer problemlos beschreiben konnte. Demnach beruht die Masse von Materie nur im kleineren Prozentbereich auf den Massen der Quarks und Elektronen – die Erklärungslücke, die mit dem Higgs-Mechanismus geschlossen werden soll, könnte aus dieser Perspektive als vernachlässigbar erscheinen.

Allerdings bestimmt die winzige Elektronmasse, um die es dem Higgs-Mechanismus geht, die Längenskala unserer Welt. Ohne Elektronmasse keine Atombindung und daher auch keine komplexeren Strukturen wie Pflanzen, Tiere oder – Menschen. Die spezifische Masse der Atomkerntrabanten, der Elektronen, ist dabei außerdem keineswegs beliebig. Würde man die Elektronmasse um einen Faktor zehn vergrößern, wären wir Menschen – vorausgesetzt die Evolution wäre gelungen – plötzlich nur noch zwanzig Zentimeter groß und das Tageslicht läge im Röntgenbereich. Ähnliche Argumentationsketten, die die Bedeutung des Higgs-Mechanismus belegen, lassen sich für die Massen der Quarks aufstellen. Fazit: Elementarteilchen haben Masse und das ist nicht nur gut so, sondern für das Leben auf der Erde sogar existentiell notwendig!

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Stand: 13.04.2007

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Das Mysterium der Masse
Die Suche nach dem Higgs-Teilchen

Materie ohne Masse?
Das Problem mit den Elementarteilchen

Higgs für Dummies
Über die Zähflüssigkeit des Äthers und den Reibungskoeffizenten

Exkurs: Von Quarks und Higgs-Bosonen
Das Standardmodell in der ‚Nussschale’

Wo ist das ‚Teilchen Gottes’?
Suche nach dem Higgs-Boson mit ATLAS am LHC

Forscher auf Phantom-Safari
Mit Zuversicht auf der Jagd nach den Higgs-Teilchen

Spreu vom Weizen trennen
Vom Problem, die richtige Kollision ausfindig zu machen

Simulation und Wirklichkeit
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Higgs entdeckt – was nun?
Zukünftige Rätsel der Teilchenphysik

„Nadel im Heuhaufen der ATLAS-Daten“
Markus Schumacher im Interview

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