Das Jahr 1452: Es ist die Zeit der Renaissance – eine Zeit des Aufbruchs und der Erneuerung. Das Ende des „dunklen“ Mittelalters datieren viele Historiker in diese Zeit, in der sich Künstler und Philosophen auf Ideale der griechischen und römischen Antike besannen. Jahrhundertealtes Wissen wurde in Bibliotheken wiederentdeckt und entfachte auch einen neuen Forscherdrang. In diese Zeit, am Ursprungsort der Renaissance in Norditalien, wird Leonardo da Vinci geboren – und Jahrhunderte später als eines der größten Genies der ganzen Epoche gefeiert.
Kunst wird zum Lebensinhalt
Seine Voraussetzungen waren jedoch zunächst eher ungünstig: Leonardo ist das uneheliche Kind eines Notars und einer Bauerntochter. Sein Vater Piero da Vinci erkennt ihn jedoch als seinen Sohn an. Der Nachname ist eine schlichte Herkunftsbezeichnung: Leonardos Vater lebte im norditalienischen Ort Vinci in der Nähe von Florenz. Über die Stadt herrscht zu der Zeit die Familie Medici, es ist die Blütezeit der Republik Florenz.
Einige frühe Zeichnungen des jungen Leonardo wecken offenbar das Interesse des Bildhauers und Malers Andrea del Verrocchio. Der damals bedeutende Künstler nimmt Leonardo zur Ausbildung in seine Werkstatt auf. Künstlerisches Arbeiten wird mehr als nur Leitfaden in Leonardos gesamtem Leben sein – es wird sein zentraler Lebensinhalt.
Bei seiner künstlerischen Tätigkeit, allem voran der Malerei, verfeinert Leonardo seinen unglaublichen Sinn fürs Detail, der in praktisch allen seiner Kunstwerke deutlich wird. Bestes Beispiel ist sein berühmtestes Werk, die „Mona Lisa“: Nicht nur der Gesichtsausdruck der porträtierten Dame ist von revolutionärer Genauigkeit. Auch im Hintergrund des Bildes, fast schon versunken in Leonardos nebelhaftiger „Sfumato“-Technik, finden sich zahlreiche Details im Miniaturformat.
Kunst erfordert wissenschaftliche Grundlagen
Die Malerei schätzt Leonardo da Vinci von allen Kunstformen stets am höchsten – schließlich basiert sie auf dem seiner Meinung nach wichtigstem Sinn, dem Sehen. Gleichzeitig ist Leonardo jedoch auch ein ausgezeichneter Musiker, der mehrere Instrumente spielt. Beliebt waren bei seinen verschiedenen Arbeitgebern auch seine Bühnen-Inszenierungen. Leonardo da Vinci stellt sich als begnadeter Unterhalter, Regisseur und Intendant heraus.
All diese Kunstformen erfordern letztendlich wissenschaftliche Grundlagen: Licht und Schatten, Schall und Strömung, Optik und Mechanik – kein Forschungsfeld ist Leonardo zu abwegig. Vielmehr verschwimmen für ihn die Grenzen zwischen einzelnen Disziplinen, beherrscht wird alles von der Mathematik. Alles folgt für ihn festen Mustern, die es lediglich zu beobachten und zu durchschauen gilt. Und sein scharfer Verstand durchschaut bereits vieles, was erst Jahrhunderte später zu wissenschaftlicher Vollendung kommen soll.
Ansgar Kretschmer
Stand: 26.09.2014