Ab wann ist ein Gehirn menschlich? Wenn es in einem Menschen sitzt? Wenn es aus menschlichen Zellen besteht? Oder eine menschliche Struktur aufweist? Genau diese Fragen werden seit einigen Jahren unter Biomedizinern, Gentechnikern und Stammzellforschern heiß diskutiert.
„In der Vergangenheit waren Chimären meist Tiere, die wir mit einem Organ konstruiert haben, das scheinbar nicht so wichtig war: Haut, ein Stück des Herzens, Krebszellen. Jetzt aber kommen wir zum Kern der Sache, dem Gehirn“, erklärt Irving Weissman, Professor für Genetik an der Stanford Universität und Gründer der Biotech-Firma StemCells. „Das Gehirn halten die meisten von uns für den Ort, an dem die menschlichen Eigenschaften, Geist, Bewusstsein, Lernen, Gedächtnis und Emotionen residieren – entsprechend heikel ist das Ganze.“
100 Prozent menschliche Gehirnzellen
Weissman sorgt 2005 für Aufsehen, als er dem Bioethikbeauftragten der Standford-Universität, Hank Greely, den Plan für ein neues Experiment unterbreitet. Nach zahlreichen erfolgreichen Versuchen der Implantation menschlicher Stammzellen in die Gehirne von Mäusen will der Forscher einen Schritt weiter gehen: Nicht mehr nur rund ein Prozent menschlicher Gehirnzellen sollen die Tiere am Ende haben, sondern nahezu 100 Prozent.
Erreichen möchte er dies mit Hilfe eines speziellen Stammes gentechnisch veränderter Mäuse. Bei diesen ist nicht nur die normale Abstoßungsreaktion des Immunsystems außer Kraft gesetzt, sie entwickeln auch nur die Anfänge eines Nervensystems: Ausgebildet wird bei den Embryonen zwar die Struktur, die die Vorläuferzellen der Neuronen an die richtigen Stellen leitet. Dann jedoch sterben durch einen genetischen Defekt alle neuen Nervenzellen ab, die Tiere sterben normalerweise noch im Mutterleib.