Nanoobjekte hat es schon gegeben, lange bevor man sie so nannte. Entsprechend ist im Grunde jede Medizin auch nanobasiert, wenn sie nach den molekularen Ursachen von Krankheiten sucht. Die molekulare Wechselwirkung von Antigen und Antikörper, die Kraft, die zwischen beiden wirkt, ist Nanotechnologie in der Medizin und trägt etwa zur Medikamentenentwicklung bei. Drug-Delivery-Systeme mögen den Weg zu einer personalisierten Medizin ebnen. Ein anderes Feld, auf das viel gesetzt wird, ist nanobasierte Krebstherapie. Hier sind die Erwartungen und Hoffnungen besonders groß.
Wirkstoff-Taxis und Regenerationshilfe
So wurden in den vergangenen Jahren nanoskalige Systeme entwickelt, die pharmazeutische Wirkstoffe effektiv im Körper verteilen und an die richtigen Stellen bringen. Die bis zur Zulassung für bestimmte eingeschränkte Indikationen vorangeschrittene Nanopartikel-Krebstherapie der deutschen Firma MagForce ist hier ein Beispiel. Medikamente, die in Lipidvesikeln enthalten sind, gibt es bereits. Auch können Nanopartikel auf der Basis von Polysacchariden oder Polymeren als Träger dienen. Idealerweise gelangt der Wirkstoff auf diese Weise nicht nur an den richtigen Ort, sondern wird auch zu einer vorherbestimmten Zeit freigesetzt.
In Zukunft erhofft man sich durch ein molekulares Verständnis für die Ursachen von Krankheiten unter anderem bessere Heilungschancen für zerstörtes Gewebe, indem Nanomaterialien und adulte Stammzellen zum Aufbau neuer Haut, neuer Knochen, Nerven oder neuen Blutgewebes eingesetzt werden. Auch die Selbstorganisation lässt sich für die Nanomedizin eines Tages nutzen, wenn man etwa Prozesse der Wundheilung besser versteht.
Nanodiagnostik und neue Biosensoren
Neben der Therapie wird die Diagnostik durch Nanoforschung vorangebracht, etwa im Bereich bildgebender Verfahren – supramolekulare Systeme für die Röntgen- und NMR-Diagnostik sind heute schon ganz selbstverständlich im Einsatz. Nanoskalige Diagnoseeinheiten sollen schnelle und einfache medizinische Untersuchungen ermöglichen. Auf der Basis von DNA oder RNA sind zum Beispiel Biosensoren für Nukleinsäuren und Proteine denkbar. Oder die Informationsverarbeitung mit DNA-basierten Reaktionsnetzwerken, die komplexe Mischungen von Biomolekülen analysieren. Nanomaterialien und Nanooberflächen bieten neue Möglichkeiten für Implantate und Prothesen.
„Medikamente ohne Nebenwirkungen, Heilung für Krebs, für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, langlebige Implantate für Knochen, Zähne oder zur Stimulanz neuronaler Aktivitäten versprechen eine gesunde Zukunft und klingen fast zu idealistisch, um wahr zu sein“, sagt die Stuttgarter Risikoforscherin Antje Grobe. So etwa sind Nanomaschinen und -roboter, die in der Blutbahn arbeiten, bis heute Zukunftsmusik – aber besonders öffentlichkeitswirksam.
Wolfgang M. Heckl und Marc-Denis Weitze / MaxPlanckForschung
Stand: 08.11.2013