Hochwasser gehört zum alltäglichen Leben in China. Auch oder gerade im Einzugsgebiet des Jangtse. Die Menschen im bevölkerungsreichsten Land der Erde haben sich längst daran gewöhnt, mit den immer wiederkehrenden Katastrophen zu leben. Selbst für chinesische Verhältnisse außergewöhnlich dramatisch aber waren die Folgen der sogenannten Jahrhundertfluten am längsten Fluss Asiens.
Allein 35.000 Menschen starben Mitte der 50er Jahre in den Fluten des Jangtse, als innerhalb von zwei Monaten die unglaubliche Menge von 450 Milliarden Kubikmeter Wasser den ohnehin gewaltigen Strom herunterdonnerte. Mehr als drei Millionen Hektar Land wurden damals bei den Überschwemmungen geflutet.
Kaum weniger heftig war die Katastrophe vom August 1998 als mehrere Flutwellen 30 Provinzen Chinas heimsuchten. Zwar gab es nach offiziellen Angaben „nur“ gut 3.000 Tote, aber die Sachschäden erreichten für europäische Verhältnisse kaum vorstellbare Dimensionen. Über 20 Millionen Hektar zum Teil besten Ackerlandes meldeten „Land unter“, fünf Millionen Häuser wurden von den reissenden Fluten zerstört, insgesamt ein Fünftel aller Einwohner Chinas – mehr als 250 Millionen Menschen – waren am Ende von den Überschwemmungen betroffen. Die direkten Kosten dieses Naturereignisses beliefen sich letztlich auf weit mehr als 40 Milliarden Mark.
Kein Wunder, dass Hochwasserkatastrophen wie diese zu den wichtigsten Argumenten der Macher und Planer für das größte Staudammprojekt der Welt am Jangtse dienten. Aber nicht nur Überschwemmungen wollen die Chinesen mit ihrem Mega-Projekt verhindern. Ziel ist es auch, große Mengen neuen Ackerlandes für die überwiegend arme Landbevölkerung zu gewinnen, die Binnenschiffahrt zu fördern und vor allem gigantische Mengen an Strom für die aufstrebenden Industrieregionen entlang des Jangste zu produzieren.
Der Startschuss für das gewaltigen Bauwerk in der Nähe der Stadt Yichang am Ende der famosen Naturlandschaft der „Drei Schluchten“ fiel bereits im Jahr 1994. Bis 2003 soll der Superdamm die Energieproduktion aufgenommen haben – wenn die Planungen eingehalten werden können. Die Dimensionen des Projektes sprengen jedoch alles bisher Bekannte und Budgetprobleme, Missmanagement und Planungsfehler haben schon jetzt zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen und Verteuerungen beim Bau des Dammes geführt.
Mehr als zwei Kilometer breit und 185 Meter hoch wird der Superdamm am Ende sein. 1,8 Millionen Tonnen Stahl, elf Millionen Tonnen Zement, 30 Millionen Kubikmeter Beton und 90 Millionen Kubikmeter Erde müssen bewegt oder verbaut werden. Der Stausee wird nach der Flutung unglaubliche 660 Kilometer lang sein und etwa die 12-fache Fläche des Bodensees umfassen. Das gigantische Wasserkraftwerk mit den 26 Turbinen kann bei optimaler Auslastung 18.200 Megawatt an Leistung produzieren, so viel wie zehn bis 15 der besten und leistungsfähigsten Atomanlagen der Welt zusammen genommen.
Daraus ergeben sich Vorteile, die den Dammbau ökologisch wertvoll erscheinen lassen. So hoffen die Macher des Projektes, gewaltige Mengen klimaschädlicher Treibhausgase, die bei der gleichen Stromerzeugung in herkömmlichen mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerken entstehen würden, durch die Nutzung der Wasserkraft einzusparen. Hehre Ziele in Zeiten alarmierender Klimaveränderungen, ob sie letztlich erreicht werden, ist eine andere Frage.
Zu diesen Superlativen passen auch die Kosten für den Bau des Staudammes. Mindestens 30 Milliarden Dollar wird der Megadamm nach Abschluss der Arbeiten gekostet haben – wenn die Verantwortlichen damit auskommen! Schon in den wenigen Jahren seit Beginn des Projektes musste das Budget mehr als verdoppelt werden.
Beteiligt an der Fertigstellung des Damms sind neben den leitenden kanadischen Firmen auch eidgenössische, amerikanische und deutsche Betriebe. Die Regierungen der Schweiz und Deutschlands haben sogar Hermes-Bürgschaften für die beteiligten Unternehmen übernommen, um die den Dammbau zu unterstützen.
Stand: 13.11.2000