Die Geowissenschaftler haben auch Methoden entwickelt, die es erlauben, die Wanderungsgeschichte der Kontinente vor ihrer Kollision zu rekonstruieren. Ein wichtiges Hilfsmittel ist der Erd-Magnetismus.
Die Ausrichtung und Neigung der Magnetfeldlinien der Erde ist je nach Breitengrad unterschiedlich: Je näher man den Polen kommt, desto steiler ist die Neigung der Feldlinien, am Äquator dagegen verlaufen sie paralell zur Erdoberfläche. Wenn geschmolzenes Gestein an die Oberfläche steigt und dort erkaltet, nehmen die magnetisierbaren
Bestandteile die Richtung des Erdfeldes an und „frieren es ein“. Wenn keine nachträgliche Aufheizung oder Verwitterung auftritt, kann das Magnetfeld auch über hunderte Millionen von Jahren in den Gesteinen erhalten bleiben.
Um herauszufinden, auf welcher geografischen Breite sich eine bestimmte Region ursprünglich einmal befunden hat, brauchen die Geowissenschaftler heute dieses steinerne Archiv nur anzuzapfen: Sie messen die so genannte Paläo-Inklination des Gesteins und leiten daraus über eine einfache Formel ab, welcher geografischen Breite dies entspricht. Gesteine aus Gondwana und der armorikanischen Inselgruppe aus der Zeit des Ordovizium (vor 500 bis 440 Millionen Jahren) zeigen beispielsweise steile Inklinationen von rund 65 bis 82°. Sie müssen daher damals in Pol-Nähe gelegen haben.
Avalonia und die im Norden angrenzenden Großplatten Laurentia – das heutige Nordamerika und Grönland – und Baltica – Skandinavien und Rußland bis zum Ural – weisen dagegen niedrige Inklinationen auf und müssen sich zu dieser Zeit nahe dem Äquator befunden haben.
Gletscherspuren…
Dazu passen auch die versteinerten Zeugen einer großen Vereisungsperiode zu dieser Zeit: Auf dem alten Felsgrund von Westafrika sind noch Gletscherschrammen erhalten, die zeigen, dass die Sahararegion im Ordovizium mit einer dicken Eisschicht bedeckt war und wahrscheinlich am Südpol lag. Vom Gletscher verschliffene Gerölle, so genannte gekritzte Geschiebe, sind von Eisbergen aus dieser Region bis in den nördlichen Teil der armorikanischen Inselgruppe verfrachtet worden. Sie kommen nur in denjenigen Gebieten und Gesteinen vor, die auch steile Inklinationen aufweisen, wie beispielsweise in den rund 430 Millionen Jahre alten Geröll-Tonschiefern Thüringens.
…und Korallenriffe
Vor 400 – 370 Millionen Jahren – 40 bis 50 Millionen Jahre nach der Sahara-Eiszeit – waren Avalonia und die armorikanischen Inseln jedoch nicht mehr von Gletschern, sondern von tropischen Korallenriffen umsäumt – Beleg für eine Wanderung dieser Platten von einer Position nahe dem Südpol in Richtung auf den Äquator.
Weitere Hinweise für die relative Lage von Platten liefert die Verbreitung von Tieren und Pflanzen (Bio-Geographie): Isolierte Kontinente entwickeln in der Regel eine eigene Lebewelt. Nähern sich Kontinente einander, gleichen sich schrittweise auch ihre Faunen und Floren an.
Bei einer solchen Annäherung sind es zuerst die Meeresbewohner, und später auch Landtiere und Pflanzen, die den Sprung auf das neue Territorium schaffen. Die wachsende Zahl gemeinsamer Gattungen und Arten dokumentiert den Fortschritt der kontinentalen „Konvergenz“. Umgekehrt gehen nach der Öffnung eines Ozeans die Lebewelten in den getrennten Platten ihre eigenen Wege. Bekanntes Beispiel sind die australischen Beuteltiere.
Stand: 13.04.2002