Zu der Zeit, als Gregor Mendel in seinem Klostergarten Erbsen zählte, war in der Biologie eine fundamentale Umwälzung im Gange: 1859 veröffentlichte Charles Darwin sein bahnbrechendes Werk „Über die Entstehung der Arten“, das ein Jahr später auch auf Deutsch erschien. Auch andere Naturforscher diskutierten und theoretisierten damals über die Evolution und die Weitergabe von Merkmalen – und damit über ein Gebiet, das eng mit der Vererbung verknüpft war.

Evolutionstheorie auch in Mendels Umfeld
Gregor Mendel kannte die damals diskutierten Theorien: Während seines Studiums in Wien belegte er Botanikkurse bei Franz Unger, einem sehr aktiven Verfechter einer Evolution höherer Lebensformen aus primitiveren Vorgängern. Unger schrieb dazu mehrere Artikel und veröffentlichte 1851 das sehr populäre Buch „Die Urwelt in ihren verschiedenen Bildungsperioden“. In der Bibliothek des Klosters St. Thomas standen zudem die Bücher von Charles Darwin, aber auch anderen namhaften Vertretern der verschiedenen Varianten der Evolutionstheorie. Randnotizen in Mendels Handschrift belegen, dass er diese Werke gelesen hat.
„Mendel war während seiner wissenschaftlich produktiven Jahre von einem intellektuellen Umfeld umgeben, das der Evolution positiv gegenüberstand“, schreibt Daniel Fairbanks von der Utah Valley University in einer Review zum Thema. „Auch Mendels Schriften enthüllen Einflüsse dieses Umfelds, vor allem von Darwin, Unger und Nägeli.“ Carl Wilhelm von Nägeli war ein Schweizer Botaniker, der ebenfalls die Evolutionstheorie vertrat und von 1867 bis 1873 eng mit Darwin zusammenarbeitete.
Obwohl Mendel Geistlicher war und die Kirche die Evolutionstheorie zu dieser Zeit strikt ablehnte, vertrat er in seinen Schriften durchaus ähnliche Vorstellungen wie Darwin und seine Mitstreiter. „Mendel beschrieb ein darwinistisches Szenario einer natürlichen Selektion und eines ‚Kampfs ums Dasein'“, berichtet Fairbanks.